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Reibereien

Reibereien

Titel: Reibereien
Autoren: Philippe Djian
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Herrenzeitschrift posiert, sie kann sich nicht helfen, sie mag das einfach nicht, auch wenn es durchaus soft bleibt. Ich kann ihr sa gen, was ich will, beteuern, wie harmlos das alles sei, ihr Uttes Unterwäsche zeigen, die in meinem Badezimmer hängt, sie ändert deswegen ihre Meinung noch lange nicht.
    Sie setzt eine große Sonnenbrille auf. Trockenes, fast schwarzes Laub wirbelt durch die Luft. Ich frage sie: »Bei wem warst du?«
    Sie weiß es nicht so genau. Sie meint, sie würde das Haus wiedererkennen, sobald wir in der Nähe sind. Ich öffne den Aschenbecher und sage ihr, sie könne rauchen.
    Sie wendet den Blick ab. Sie schluckt ihren Är ger herunter. Jede Minute, die wir gemeinsam verbringen, schmettert uns jetzt nieder. Aber ich weiß nicht, ob die Dinge immer irgendwann in die Brü che gehen. Ob man eines Tages davon befreit wird. Ich frage mich wirklich, ob es möglich ist.
    Zunächst warte ich im Auto. Dann schelle ich an der Haustür. Ein Mann in Unterhosen öffnet mir. Er sagt: »Deine Mutter mußte erst mal einen Schluck
    trinken.« Ich erwidere: »Ist das nicht ein bißchen früh?« Er zuckt die Achseln. Ein Mann in den Sech zigern.
    Sie sitzt im Halbdunkel im Schneidersitz auf dem Sofa. Der Typ in der Unterhose setzt sich ne ben meine Mutter. Und sie blicken mich an.
    Das könnte stundenlang so weitergehen.
    »Also, was ist?« frage ich und stecke die Hände in die Taschen.
    Der Typ lächelt und schlägt mir vor, etwas zu trinken.
    Ohne eine Sekunde zu verlieren, mache ich mich auf die Suche nach dem Mantel meiner Mutter. Ich habe ihnen nichts vorzuwerfen. Sollen sie doch auf ihrem Sofa sitzen.
    Überall stehen Gläser herum, auf einem niedri gen Tisch die Reste eines kalten Büffets, leere Flaschen, volle Aschenbecher, es dringt kaum Tages licht ins Zimmer, obwohl es durch die schmale Ritze in den Vorhängen zu dringen versucht. Es ist eine ganze Clique, die sich hier trifft, um einen zu trinken und ordentlich auf den Putz zu hauen, wie Olga sagt, oder um einen letzten Fackelzug zu ver anstalten, wie andere es nennen – ein paar von ih nen schätzen die Sache durchaus realistisch ein und sind sich über die Dauer des Aufschubs, der ihnen bleibt, vollkommen im klaren. Na ja, die einzige Alternative wäre noch, sich Samstag abends bei den Anonymen Alkoholikern oder in der Irrenanstalt zu treffen, in dem Zustand, aber das ist natürlich ih re Sache. Wenn sie möglichst schnell Schluß machen wollen, ist das ihre Sache. Ich bedaure nur, daß meine Mutter zu diesem Haufen gehört. Ich nehme es Olga übel, daß sie meine Mutter ihren Freunden vorgestellt hat.
    »Was glaubst du eigentlich?« erwidert Olga mir darauf. »Hm, was glaubst du eigentlich? Daß wir versuchen, uns einen Mann zu angeln? Daß wir da Typen kennenlernen und sie abschleppen wollen? Du bist wohl nicht ganz bei Trost. Das kapierst du nie. Kümmer dich um deinen eigenen Kram.«
    »Genau. Laß uns in Ruhe«, fügt meine Mutter hinzu.
    Ich finde ihren Mantel in einem leeren Schlaf zimmer auf einem Sessel. Die Bettlaken sind zur Seite geworfen, die Kopfkissen eingedrückt.
    »Hast du gefunden, was du suchst?« fragt mich der Typ und zieht sich eine Hose an. Er blickt mich freundlich an. Als ich den Raum verlassen will, hält er mich am Arm fest. »Sei nett zu ihr«, sagt er.
    Ich ziehe meinen Arm mit einer heftigen Bewegung zurück.
    Er begleitet uns zum Auto. Meine Mutter hat die Scheibe heruntergelassen, und er beugt sich zu ihr herab. Sie wechseln ein paar Worte, die ich nicht mitbekomme. Dann küßt er sie auf den Mund.
    »Was bedeutet das schon!« erklärt sie, während wir in die Stadt zurückfahren, als sei hinter uns ein Feuer ausgebrochen.
    Als wir bei ihr eintreffen, klingelt das Telefon. Ich nehme ab. »Gib mir deine Mutter«, sagt er zu mir. Sie nimmt den Apparat und schließt sich in ihrem Zimmer ein.
    Es ist fast Mittag. Ich rufe Utte an, um zu hören, ob alles in Ordnung sei, und sie fragt mich barsch, was ich denn nun schon wieder mache. Diese Geschichten mit meiner Mutter belasten unsere Beziehung. Es ist nicht mehr so wie anfangs zwischen Utte und mir. Sie sagt, sie werde ohne mich aus dem Haus gehen, wenn ich nicht schnellstens komme. Es ist überhaupt nicht mehr so wie anfangs, als wir zusammengezogen sind. Im Frühjahr. Ich habe nicht den Eindruck, als sei es gestern gewesen. Ich mustere die Straße, die mir ebenso fr emd vor kommt wie ich mir selbst, wenn ich gewisse The men anschneide. Manchmal erkennt man nichts
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