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Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Titel: Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)
Autoren: Emil Hakl
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identifizieren.
    „He! Ich hab dich!“, dröhnt es in meinem Gehörgang. „Ich seh dich! Klopf dir mal an den Ko-hopf!“
    Ich ziehe eine Hand in der Schlaufe zum Kopf, berühre mit dem Daumen den Helm, rotiere wie ein Kreisel, stabilisiere mich mit Ach und Krach wieder.
    „Ha! Wow! Na klaar!“
    „Okay“, sage ich. „Was soll ich machen?“
    „Dich langsam sinken lassen, kreisen! Backside, Sep-pel!“
    Ich kreise also. Kreisen ist einfach – man zieht so lange an einer Bremsleine, bis einem die Hand abstirbt. Nur der Neigungswinkel ist manchmal überraschend. Das Rapsfeld leuchtet allzu grell auf.
    „Langsaam, dammt! Halten!“
    Es kommt der Moment, in dem ich landen muss. Die Tschechische Republik hat zehn Millionen zweihunderttausend Einwohner, also haben täglich achtundzwanzigtausend Menschen Geburtstag. Sie trinken ein paar Schnäpse, brüllen ein bisschen rum, spritzen sich gegenseitig mit Spucke voll und gut is’. Nur ich muss meinen feiern, indem ich mir alle Knochen breche. Mit zwei Monaten Verspätung noch dazu.
    „Haalten! Gegen den Wiind!“
    „Brüll mich nicht dauernd an!“ Ich schlucke meinen Speichel runter. „Ich könnte immerhin dein Vater sein!“
    „Was is?“
    „Nichts.“
    „Dann maul nicht rum und dreeh!“
    19 ICH HAB RIESIGE LUST, WENIGSTENS NOCH DIE WIESE DORT ZU ÜBERSPRINGEN, UM DEN HÜGEL DA HERUMZUFLIEGEN. Es hinauszuschieben. Ich bin aber schon zu tief unten. Tief unten. Die Roterde kommt näher. Mit dem Absatz streife ich eine Brache, klatsche in eine Furche, kippe mit der Fresse in eine Pfütze und fertig.
    Ich bin wieder da. Ziehe das sich aufbauschende Polyester zu mir, damit ihm nicht einfällt, noch was anzustellen. Über den Feldrain ganz in der Nähe donnert eine Reihe von Reitern, an der Spitze ein grau melierter Bonvivant mit Jockeymütze, er ist der Einzige, der mich mit dem Blick streift. Der angegilbte Backenbart formt sich vor lauter Missbilligung zu einem Hufeisen. Den Inhalt seines Bücherregals würde ich ungern kennen. Hinter ihm plustert sich ein Häufchen Mädels im Sattel auf. Die letzte von ihnen kaut intensiv und ist so herrlich dämlich, dass sich ihr davon die Pupillen verdrehen.
    Gerne würde ich aus meinem Zaumzeug kriechen. Ich suche nach der Stelle, an der man es aufmacht. Gleichzeitig versuche ich aus der Form der umliegenden Hügel abzuleiten, wo oder in der Nähe von was ich mich befinde. Magmatische Kuppen und Küppchen überall um mich herum, verfallene Burgruinen, rostrote Alleen, Hopfenfelder, Silos, Reste von Dörfern, bestialische riesenhafte Kühltürme. Eine explosiv belichtete vulkanische Open-Air-Szenerie, von den Schatten dahinfliegender Wolken mit Streifen überzogen. Ein seit der Steinzeit besiedeltes Gebiet. Sichtweite mindestens sechzig Kilometer.
    Ehe ich mich noch umsehen kann, raucht es bereits von der Landstraße her. Schon blitzt ein Spielzeugauto in voller Fahrt mit seinen Fensterscheiben nach mir, schon biegt es in den aufgeweichten Feldweg ein. Schon knallt Murgy die Tür zu und kommt zu mir gerannt.
    „Ja, leck mich“, schnaubt er, „weißt du, wo du deine rechte Hand hast? Und warum ziehst du dann mit links, wenn ich rechts sage? Wir sind dir wie die Blöden hinterher, um die ganzen Hügel hier rum, du Arsch! Beim nächsten Mal hörst du zu, wenn man dir was sagt!“
    Ins Kino gehen, mit dem Zug irgendwo hinfahren, einen Spaziergang machen, jemanden besuchen, mit ihm die üblichen Themen besprechen, mit jemand anderem einfach so unter einer Eibe in der Ecke eines Gastgartens sitzen, schweigen und den Rauch zu den Sternen hinauf blasen. Sich ab und zu an irgendeine skeptische Gabi schmiegen, dann gemeinsam darüber lachen. So würde ich das mal sehen, von wegen nächstes Mal.
    Murgy hilft mir beim Abgurten. Flink klickt er eine Schnalle nach der anderen auf. An seinem Hals baumelt ein Pentagramm. Wir ziehen die Schnüre glatt, packen ein. Er will wissen, ob es mir gefallen hat. Ob und wie. Ich finde keine Worte, also lache ich wenigstens mit ganzer Kraft. Er hält nicht durch und schließt sich an, kriegt einen Lachkrampf. Er kann nicht nachtragend sein – glückliches Raubtiernaturell. Er wiehert, röhrt, grunzt, dreht sich, jault, knickt in der Hüfte ein. Wir lachen, bis wir zu Boden gehen. Rulpo springt aus dem Auto und stimmt sofort mit ein.
    20 AUF DEM WEG NACH HAUSE HALTEN WIR AUF EINEM WEITLÄUFIGEN ÖDEN DORFPLATZ, DESSEN HINTERER BEREICH VON EINEM FUNKELNDEN VIETNAMESENMARKT BEHERRSCHT WIRD. Durch
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