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Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg

Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg

Titel: Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
Autoren: Åsa Larsson
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Plastikflaschen wild durcheinander auf dem Wohnzimmertisch herumliegen lässt, aber das spielte keine Rolle. So war das Leben einfach wunderbar. Mit einer Suchaktion draußen auf dem Eis, in der Dunkelheit.
    »Hoffentlich hatte sie keine Kinder«, sagte Anna-Maria, als sie in den Wind hinausgingen.
    Sven-Erik gab keine Antwort. Er schämte sich ein wenig. An Kinder hatte er nicht einmal gedacht. Er hatte nur gedacht, dass hoffentlich nicht irgendwo, eingesperrt in eine Wohnung, eine Katze auf ihr Frauchen wartete.

NOVEMBER 2003
    REBECKA MARTINSSON WIRD aus der psychiatrischen Klinik St. Göran entlassen. Sie fährt mit dem Zug nach Kiruna. Jetzt sitzt sie in einem Taxi vor dem Haus ihrer Großmutter in Kurravaara.
    Seit die Großmutter tot ist, gehört das Haus Rebecka und Onkel Affe. Es ist ein graues Eternithaus unten am Flussufer. Abgenutzte Linoleumböden und feuchte Flecken an den Wänden.
    Früher roch das Haus alt, aber bewohnt. Ein stetiger Geruch, trotz feuchter Gummistiefel, Stall, Kocherei und Backerei. Großmutters Geborgenheit schenkender Geruch. Und Papas natürlich, damals. Jetzt riecht das Haus verlassen und muffig. Der Keller ist mit Glaswolle vollgestopft, um die Bodenkälte auszusperren.
    Der Taxifahrer bringt ihren Koffer ins Haus. Fragt, ob er den ins Erdgeschoss oder in den ersten Stock tragen soll.
    »In den ersten«, antwortet sie. Sie hat mit der Großmutter im ersten Stock gewohnt.
    Papa wohnte in der Wohnung unten. Dort stehen die Möbel in einem seltsam stillen, zeitlosen Schlaf unter großen weißen Laken. Onkel Affes Frau Inga-Britt nutzt das Erdgeschoss als Lager. Hier sammeln sich immer neue Bananenkartons mit Büchern und Kleidern, hier stehen alte Stühle, die Inga-Britt billig gekauft hat und irgendwann restaurieren wird. Papas Möbel unter den Laken müssen immer dichter an die Wand geschoben werden.
    Es hilft nichts, dass es nicht so aussieht wie früher. Für Rebecka ändert sich die Wohnung im Erdgeschoss nicht.
    Papa ist seit so vielen Jahren tot, aber sowie sie zur Tür hineintritt, sieht sie ihn auf dem Küchensofa sitzen. Es ist Zeit zum Frühstück oben bei Großmutter. Er hat sie die Treppe herunterkommen hören und ist ganz schnell aufgestanden. Er trägt ein rot-schwarz kariertes Flanellhemd und einen blauen Helly-Hansen-Pullover. Seine blaue Arbeitshose aus Nylon hat er in grobe Wollsocken gesteckt, die die Großmutter gestrickt hat. Seine Augen sind ein wenig geschwollen. Als er Rebecka erblickt, streicht er sich über die Bartstoppeln und lächelt.
    Sie sieht jetzt so viel, was sie damals nicht gesehen hat. Oder vielleicht doch? Die Hand, die über die Bartstoppeln strich, jetzt sieht sie, dass es eine verlegene Bewegung war. Was schert sie das denn? Dass er sich nicht rasiert hat? Dass er angezogen geschlafen hat? Das ist ihr doch egal. Er ist schön, schön.
    Und die Bierdose, die auf dem Spülstein steht. Die ist so glanzlos und abgegriffen. Sie enthält schon lange kein Bier mehr. Er trinkt etwas anderes daraus, aber die Nachbarn sollen glauben, dass es sich um Lightbier handelt.
    Mir war das doch immer egal, möchte sie sagen. Mama hat sich darüber beschwert. Ich hab dich wirklich, wirklich lieb gehabt.
     
    Das Taxi ist gefahren. Sie hat im Kamin Feuer gemacht und die Heizkörper aufgedreht.
    Sie liegt auf dem Rücken in der Küche, auf einem von Großmutters Flickenteppichen. Sieht einer Fliege zu. Die brummt laut und gequält. Knallt immer wieder wie blind gegen die Decke. Sie sind so, wenn sie erwachen, weil es im Haus plötzlich warm geworden ist. Ein quälend lautes Geräusch, unsicheres, langsames Fliegen. Jetzt landet sie auf der Wand, wandert träge und ziellos umher. Sie hat überhaupt kein Reaktionsvermögen. Rebecka könnte sie vermutlich mit der bloßen Hand erschlagen. Dann würde sie sich dieses Brummen nicht anhören müssen. Aber sie bringt es nicht über sich. Liegt einfach nur da und sieht zu. Die wird ja doch bald sterben. Und dann kann sie sie wegfegen.

DEZEMBER 2003
    ES IST DIENSTAG. Jeden Dienstag fährt Rebecka in die Stadt. Sucht eine Therapeutin auf und holt sich ihre Wochendosis Cipramil. Die Therapeutin ist eine Frau von Mitte vierzig. Rebecka versucht, sie nicht zu verachten. Muss sich aber immer wieder ihre Schuhe vorstellen und »billig« denken, und ihre Jacke, und dass die nicht richtig sitzt.
    Verachtung ist jedoch eine verräterische Freundin. Sie kehrt sich plötzlich gegen uns: Und was ist mit dir? Du arbeitest ja nicht
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