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Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg

Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg

Titel: Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
Autoren: Åsa Larsson
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in den Abgrund, als ihnen aufging, dass sie besiegt waren. Die Amis standen da mit ihren Megafonen und riefen, sie sollten sich ergeben.«
    Als wir zur Station zurückkommen, habe ich plötzlich Angst, er könnte mich fragen, ob ich gern spazieren gehe. Fragen, ob ich diesen Spaziergang gern gemacht habe. Ob ich morgen auch einen machen möchte.
    Ich kann nicht mit »ja« oder »gern« antworten. Dann komme ich mir vor wie damals als Kind. Bei den Frauen im Dorf, wenn sie zu Eis oder Limo einluden. Die mussten immer fragen: »Schmeckt das?« Obwohl sie es doch sehen konnten. Ich saß da und schleckte, andächtig, stumm. Ich musste ihnen etwas geben. Einen Preis. »Ja« und am liebsten »danke« von der Kleinen, der Armen mit der verrückten Mutter. Jetzt habe ich nichts zu geben. Nicht einen Mucks. Wenn er fragt, muss ich Nein sagen. Obwohl es wunderschön war, in der Luft zu atmen. Auf der Station riecht es nach ausgeschwitzter Medizin, nach Zigaretten, Schmutz, Krankenhaus, Reinigungsmittel für die Plastikböden.
    Aber er fragt nicht. Nimmt mich auch am nächsten Tag mit auf eine Runde.
     
     
    Auszug aus dem Krankenbericht, 27. September 2003, betr. Patientin Rebecka Martinsson.
    Patientin reagiert gut auf die Behandlung. Suizidgefahr scheint nicht mehr zu bestehen. In den beiden vergangenen Wochen Behandlung im Rahmen der Gesundheitsgesetzgebung. Niedergeschlagen, aber nicht ernsthaft deprimiert. Wird in eine Wohnung in Kurravaara gebracht, einem Dorf bei Kiruna, wo sie aufgewachsen ist. Weiterhin poliklinische Gesprächstherapie in Kiruna. Weiterhin medikamentös behandelt, Cipramil 40 mg/Tag.
     
    Der Oberarzt fragt, wie es mir geht. Ich antworte: Gut.
    Er schweigt und sieht mich an. Fast ein Lächeln. Verständnisvoll. Er kann unendlich lange schweigen. Darin ist er Experte. Schweigen provoziert ihn nicht. Am Ende antworte ich: Gut genug. Das ist die richtige Antwort. Er nickt.
    Ich darf nicht hierbleiben. Habe lange genug Platz weggenommen. Es gibt Frauen, die diesen Platz dringender brauchen. Solche, die sich die Haare anstecken. Die hier auf der Toilette Spiegelscherben schlucken und in aller Eile auf die Notstation gebracht werden müssen. Ich kann sprechen, antworten, morgens aufstehen und mir die Zähne putzen.
    Ich hasse ihn, weil er mich nicht dazu zwingt, in alle Ewigkeit hierzubleiben. Weil er nicht Gott ist.
    Dann sitze ich im Zug nach Norden. Die Landschaft jagt in kleinen Bruchstücken vorbei. Zuerst hohe Laubbäume in roten und gelben Tönen. Herbstsonne und jede Menge Häuser. In allen leben Menschen ihre Leben. Auf irgendeine Weise kommen sie weiter.
    Hinter Bastuträsk liegt Schnee. Und dann endlich: Wald, Wald, Wald. Ich bin auf dem Heimweg. Die Birken schrumpfen, heben sich jämmerlich und schwarz vom Weiß ab.
    Ich presse Stirn und Nase ans Fenster.
    Mir geht es gut, sage ich mir. So ist es, wenn es gut geht.

Samstag, 15. März 2005
    SPÄTWINTERABEND IN TORNETRÄSK. Das Eis lag dick, über einen Meter. Überall auf dem siebzig Kilometer langen See standen die Archen, kleine Hütten auf Kufen, vier Quadratmeter groß. Im Spätwinter pilgerten die Bewohner von Kiruna nach Torneträsk. Sie fuhren mit dem Schneemobil und der Arche im Schlepp.
    Der Boden der Arche hatte eine Luke. Ins dicke Eis wurde ein Loch gebohrt. Ein Plastikrohr verband das Loch mit der Luke im Boden, auf diese Weise konnte der eisige Wind nicht von unten her in die Arche eindringen. Und dann saß jemand in der Arche und angelte durch das Loch.
     
    Leif Pudas war nur mit seiner Unterhose bekleidet und angelte. Es war halb neun Uhr abends. Er hatte ein paar Bier getrunken, es war ja Samstag, der Propanofen sauste und pfiff. Es war wirklich warm, inzwischen über fünfundzwanzig Grad. Fische hatte er auch erwischt, fünfzehn Bergforellen, kleine zwar, aber dennoch. Außerdem hatte er für die Katze seiner Schwester ein paar Aalquappen beiseite gelegt.
    Als er pinkeln musste, kam ihm das wie eine Befreiung vor, er war einfach überhitzt, es würde schön sein, sich draußen ein wenig abkühlen zu können. Er stieg in seine Schneemobilstiefel und ging, weiterhin nur mit der Unterhose bekleidet, hinaus in die Kälte und die Finsternis.
    Als er die Tür öffnete, packte sie der Wind.
    Tagsüber hatte die Sonne geschienen, und es war windstill gewesen. Aber im Gebirge ändert sich das Wetter die ganze Zeit. Jetzt riss und zerrte der Sturm an der Tür wie ein tollwütiger Hund. Zuerst gab es kaum Wind, er lag sozusagen auf der
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