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Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg

Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg

Titel: Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
Autoren: Åsa Larsson
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die Hände durch die Kälte unbrauchbar geworden sind? Er steckte die Finger in den Mund, um sie zu wärmen, dann bekam er sie so weit unter Kontrolle, dass er Propanlampe und Ofen anzünden konnte. Sein Körper wollte nur noch zittern und beben, nie im Leben hatte er dermaßen gefroren. Eiskalt bis auf die Knochen.
    »Jetzt ist es verdammt noch mal kalt, Scheiße, das ist ja vielleicht kalt«, sagte er mehrmals vor sich hin. Er redete laut, das hielt ihm in gewisser Weise die Panik vom Leib, er hatte das Gefühl, sich selber Gesellschaft zu leisten.
    Der Wind schlug durch das Fenster wie ein boshafter Gott, Leif Pudas riss eine Matratze an sich, die an der Wand lehnte, und konnte sie einigermaßen an Ort und Stelle bugsieren, er klemmte sie zwischen Gardinenstange und Wand ein.
    Er fand eine rote Daunenjacke, die vermutlich Frau Persson gehörte. Er fand auch einen Kasten mit Unterwäsche, zog zwei lange Unterhosen an, eine über die Beine und eine über den Kopf.
    Die Wärme kam langsam, er hielt seine Glieder vor den Ofen, in seinen Körperteilen prickelte und brannte es, es tat schrecklich weh. In der einen Wange und dem Ohr hatte er überhaupt kein Gefühl, das war grauenhaft.
    Auf der Pritsche lag ein Haufen Decken. Die waren natürlich eiskalt, aber er konnte sich trotzdem hineinwickeln, sie isolierten immerhin.
    Ich habe überlebt, sagte er sich. Was spielt es da für eine Rolle, ob mein Ohr sich verabschiedet hat?
    Er riss die Tagesdecke von der Pritsche. Sie war großgeblümt, in allerlei Blautönen, ein Relikt aus den Siebzigerjahren.
    Und darunter lag eine Frau. Ihre Augen waren offen und zu Eis gefroren, sie waren ganz weiß, wie mattes Glas. Etwas, das aussah wie Brei oder vielleicht Erbrochenes, an ihrem Kinn und ihren Händen. Sie trug einen Trainingsanzug. Das Oberteil wies einen roten Fleck auf.
    Er schrie nicht. Er war nicht einmal überrascht. Sein Empfindungsvermögen war nach allem, was er soeben durchgemacht hatte, sozusagen erschöpft.
    »Also, zum Teufel«, sagte er nur.
    Und seine Gefühle glichen denen, die man hat, wenn man sich einen kleinen Hund zulegt und der zum hundertsten Mal ins Zimmer pisst. Es war die Resignation angesichts der Tücke jeglichen Objekts.
    Er unterdrückte den Impuls, einfach die Decke zurückzulegen und die Frau zu vergessen.
    Dann setzte er sich hin und überlegte. Was zum Henker sollte er jetzt tun? Natürlich musste er machen, dass er zur Touristenstation kam. Nicht, dass er Lust gehabt hätte, sich in der Dunkelheit auf den Weg zu begeben. Aber ihm blieb wohl keine Wahl. Und außerdem wollte er nicht mit der Frau zusammen auftauen.
    Aber eine kleine Weile musste er doch noch sitzen bleiben. Bis er nicht mehr so entsetzlich fror.
    Zwischen ihnen bildete sich eine Art Gemeinschaft. Sie leistete ihm Gesellschaft, als er eine Stunde lang mit schmerzendem Körper dasaß, während die Wärme sich wieder einstellte. Er hielt die Hände gegen den Propanofen. Er sagte nichts. Und sie auch nicht.

KOMMISSARIN ANNA-MARIA Mella und ihr Kollege Sven-Erik Stålnacke kamen um Viertel vor zwölf in der Nacht zum Sonntag an der Fundstelle an. Die Polizei hatte bei der Touristenstation Abisko zwei Schneemobile ausgeliehen. Das eine hatte einen Schlitten. Ein Bergführer hatte seine Hilfe angeboten und die beiden nach unten gefahren. Durch Sturm und Finsternis.
    Leif Pudas, der die Leiche gefunden hatte, saß in der Touristenstation und war bereits einmal vernommen worden, von der Besatzung des Streifenwagens, der zuerst hier eingetroffen war.
    Als Leif Pudas zur Touristenstation gekommen war, war die Rezeption geschlossen gewesen. Es hatte eine Weile gedauert, bis die Leute in der Kneipe ihm geglaubt hatten. Es war doch Samstagabend, und zwar waren sie in der Touristenstation an saloppe Kleidung gewöhnt, viele streiften einfach den Schneemobilanzug ab und tranken ihr Bier in Unterwäsche. Aber Leif Pudas kam in einer Damendaunenjacke hereingewankt, die ihm knapp bis zum Nabel reichte, dazu trug er wie einen Turban eine lange Unterhose um den Kopf.
    Erst, als er in Tränen ausbrach, begriffen sie, dass etwas Entsetzliches passiert sein musste. Sie hörten ihm zu, und danach behandelten sie ihn wie ein rohes Ei, während sie auf die Polizei warteten.
    Er hatte eine Tote gefunden, sagte er. Mehrere Male betonte er, dass es nicht seine Arche war. Trotzdem hielten sie ihn sicher für einen Mann, der seine Frau umgebracht hat. Niemand wollte seinen Blick erwidern. Er saß ganz allein
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