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Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg

Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg

Titel: Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
Autoren: Åsa Larsson
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einmal.
    Die Therapeutin bittet sie, von ihrer Kindheit zu erzählen.
    »Warum?«, fragt Rebecka. »Deshalb bin ich ja wohl nicht hier.«
    »Warum sind Sie dann hier, was meinen Sie?«
    Rebecka hat diese professionellen Gegenfragen so satt. Sie starrt den Teppich an, um ihren Blick zu verbergen.
    Was könnte sie denn schon erzählen? Jedes kleinste Ereignis ist wie ein roter Knopf. Wenn sie draufdrückt, weiß niemand, was passiert. Man erinnert sich, dass man ein Glas Milch getrunken hat, und alles andere kommt von selbst.
    Ich habe nicht vor, mich darin zu suhlen, denkt sie und starrt hasserfüllt auf den Karton mit Papiertaschentüchern, die immer zwischen ihnen auf dem Tisch bereitstehen.
    Sie sieht sich von außen. Kann nicht arbeiten. Sitzt morgens auf der kalten Klobrille und drückt die Tabletten aus der Platte, hat Angst davor, was sonst passieren könnte.
    Es gibt so viele Wörter. Peinlich, pathetisch, jämmerlich, ekelhaft, widerlich, Belastung, verrückt, krank. Mörderin.
    Sie muss ein bisschen nett zu der Therapeutin sein. Entgegenkommend. Auf dem Weg der Besserung. Nicht immer so anstrengend.
    Ich werde ihr etwas erzählen, denkt sie. Beim nächsten Mal.
    Sie könnte lügen. Das wäre nicht das erste Mal.
    Sie könnte sagen: Meine Mutter. Ich glaube, sie hat mich nicht geliebt. Und das wäre vielleicht gar keine Lüge. Sondern eine kleine Wahrheit. Aber diese kleine Wahrheit verbirgt die große Wahrheit:
    Ich habe bei ihrem Tod nicht geweint, denkt Rebecka. Ich war elf Jahre alt und eiskalt. Etwas Grundlegendes stimmt nicht mit mir.

SILVESTER 2003
    REBECKA FEIERT SILVESTER zusammen mit Sivving Fjällborgs Hündin Bella. Sivving ist ihr Nachbar. Er war ein Freund ihrer Großmutter, als Rebecka noch klein war.
    Er hatte Rebecka eingeladen, mit zu seiner Tochter zu kommen, zu Lena und ihrer Familie. Rebecka servierte Ausflüchte, und er versuchte nicht, sie zu überreden. Stattdessen ließ er den Hund bei ihr zurück. Eigentlich ist es kein Problem, Bella mitzunehmen. Er sagte, Bella müsse das Haus bewachen, aber wer hier wirklich bewacht werden muss, ist Rebecka. Das spielt keine Rolle. Rebecka ist froh darüber, dass sie Gesellschaft hat.
    Bella ist eine lebhafte Vorsteherhündin. Sie ist verrückt nach Essen wie alle Vorstehhunde, und sie wäre dick wie eine Wurst, wenn sie nicht die ganze Zeit aktiv wäre. Sivving lässt sie auf dem Fluss rennen, bis die schlimmste Unruhe verflogen ist, und er versucht, andere aus dem Dorf zu überreden, sie ab und zu mit auf die Jagd zu nehmen. Sie läuft im Haus umher, reibt sich an den Beinen der Menschen, es ist zum Verrücktwerden. Springt beim geringsten Geräusch hoch und bellt los. Aber diese dauernde Aktivität sorgt dafür, dass sie dünn wie ein Strich ist. Ihre Rippen zeichnen sich unter ihrem Fell deutlich ab.
    In der Regel betrachtet sie es als Strafe, liegen zu müssen. Aber jetzt schnarcht Bella auf Rebeckas Bett. Rebecka war stundenlang am Fluss auf Skiern unterwegs. Anfangs musste Bella sie ziehen. Dann durfte Bella frei laufen, sie jagte wie verrückt hin und her, und der Schnee stob nur so auf. Die letzten Kilometer trottete sie zufrieden in Rebeckas Skispuren.
    Gegen zehn ruft Måns an, Rebeckas Chef aus der Kanzlei.
    Als sie seine Stimme hört, fährt ihre Hand durch ihre Haare. Als ob er sie sehen könnte.
    Sie hat an ihn gedacht. Oft. Sie bildet sich ein, dass er angerufen und sich nach ihr erkundigt hat, als sie im Krankenhaus war. Aber sie ist sich nicht sicher. Ihre Erinnerung ist so schlecht. Aber sie glaubt, zur Stationsschwester gesagt zu haben, dass sie nicht mit ihm reden wolle. Die Elektroschocks hatten sie so verwirrt. Und ihr Kurzzeitgedächtnis war verschwunden. Sie wurde wie eine alte Frau, die innerhalb von fünf Minuten mehrmals das Gleiche sagt. Sie wollte damals zu keinem Menschen Kontakt haben. Und zu Måns schon gar nicht. Der durfte sie nicht so sehen.
    »Wie geht’s?«, fragt er.
    »Gut«, sagt sie und kommt sich innerlich vor wie ein blödes mechanisches Klavier, sowie sie seine Stimme hört. »Und du?«
    »Ja, verdammt, unverschämt gut.«
    Jetzt muss sie etwas sagen. Sie versucht, etwas Kluges zu finden, am besten etwas Witziges, aber in ihrem Kopf steht alles still.
    »Ich sitze in einem Hotelzimmer in Barcelona«, sagt er endlich.
    »Ich sehe mit dem Hund meines Nachbarn fern. Der Nachbar feiert bei seiner Tochter Neujahr.«
    Måns antwortet nicht sofort. Er wartet eine Sekunde. Rebecka lauscht. Später wird sie
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