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Raus mit der Sprache

Titel: Raus mit der Sprache
Autoren: Ursula Steinbuch
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ich sofort Rückenschmerzen
, sobald die Situation vorbei ist.
    Da ich nie etwas sage, es aber eigentlich möchte, also voll
von Gedanken bin, fühle ich mich ziemlich gefrustet, wenn ich
nach der Uni heimkomme. Der Erstbeste muss sich dann einen
Stundenmonolog von mir gefallen lassen.

    (F) Die Hemmung, in einem Seminar zu sprechen, wirkt auch
in andere Bereiche hinein. Ich leiste so gut wie nie mündliche
Beiträge und drücke mich, wenn möglich, vor Referaten. Die
körperlichen Auswirkungen sind stark, ich bekomme Schweißausbrüche
und Kopfschmerzen. Ich habe während des Sprechens
ein starkes Verlangen, keine Fehler zu machen, was mich
in meiner Spontaneität, meiner Ausdrucksweise und der Verständlichkeit
oft stark einschränkt. Die Erfahrungen aus den
Seminaren hindern mich teilweise daran, mich im privaten
Kreis so uneingeschränkt zu äußern, wie ich es gern möchte.
Erstaunlich und für mich unverständlich dabei ist, dass ich auf
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andere zumeist souverän, im negativen Fall aber auch arrogant
wirke.

    (G) Es beeinträchtigt mein Leben und meine Lebensfreude
sehr, in Gruppen nichts sagen und nicht mitreden zu können.
Manchmal werde ich auch nicht beachtet, wenn ich etwas sage.
Ich bin dann oft deprimiert, wenn ich nach Hause gehe, und
fühle mich völlig minderwertig, was dann natürlich auch mein
Privatleben, besonders die Beziehung zu meinem Freund, beeinträchtigt
.
    Es ist auch schlimm, jeden Tag Angst zu haben, es könnte eine
Situation eintreten, die ich nicht bewältigen kann. Letztlich beeinträchtigt
es auch meine Gesundheit, ich bin dauernd verspannt
und ich habe oft Herzklopfen.

    Um uns dem Problem Redeangst anzunähern, sollen die beispielhaft ausgewählten Fälle jetzt insbesondere unter folgenden Gesichtspunkten betrachtet werden.
    Die Situationen
    In welchen konkreten Situationen tritt Redeangst auf?
    Alle Beispiele zeigen, dass die Angst, einen Redebeitrag zu leisten, nicht nur bei Referaten oder ähnlichen Situationen auftritt, in denen man sich vor einer Gruppe exponiert, sondern auch bei einfachen freiwilligen Diskussionsbeiträgen. Es sind immer Situationen, in denen sich die Aufmerksamkeit der anderen auf einen selbst konzentriert, in denen man im Mittelpunkt steht.
    Je größer und je fremder die Gruppe ist, vor der man redet, desto größer ist die Redeangst. Sie tritt in der Regel weniger auf in spontanen Redebeiträgen als vielmehr bei vorbereiteten Referaten, aber auch schon dann, wenn reihum etwas gesagt werden soll oder eine Rednerliste erstellt wird. Was spontan noch gelingt, wird mit der Wartezeit schier unmöglich, weil die Aufregung zunimmt.
    Angst entsteht nicht nur im Augenblick der Redesituation |13| selbst. Häufig reicht es schon aus, sich die Redesituation nur vorzustellen, und Angst setzt ein. Schließlich überträgt sich die an der Hochschule erlebte Redeangst bei manchen auch auf den privaten Bereich oder auf den Job.
    Die Symptome
    Was sind die typischen Symptome von Redeangst?
    Den Beispielen zufolge äußert sich die Angst in körperlichen Symptomen: Stimme, Kopf, Hände können zittern, das Herz bis zum Hals schlagen oder so laut, dass es alles übertönt. Die Sprache ist gebrochen oder versagt gar.
    Dann spielt sich auch im Kopf eine Menge ab: Es ist vielfach davon die Rede, keine Kontrolle zu haben, weder über die eigenen Gedanken, noch über sich selbst. Befürchtungen, dass Schwächen aufgedeckt werden, dass man sich eine Blöße geben könnte, spielen eine zentrale Rolle.
    Zu diesen kognitiven Symptomen gehört auch Unsicherheit über die eigene Wirkung. Wie komme ich, wie kommt das, was ich sage und wie ich es sage, bei den anderen an; habe ich das, was ich sagen wollte, auch wirklich gesagt? Parallel zum Reden scheint man permanent zu bewerten und nach wertenden Reaktionen bei den anderen zu suchen und mehr Aufmerksamkeit hierauf zu verwenden als auf den Inhalt des Beitrags.
    Die Gründe
    Welche Gründe geben die Studierenden für ihre Redeangst an?
    Auf Gründe für die Angst wird in den Beispielen weniger eingegangen. Fest steht jedoch, dass es in aller Regel nicht etwa Desinteresse oder Unwissenheit ist. Im Gegenteil, es wird eine deutliche Diskrepanz wahrgenommen zwischen dem Bedürfnis, aktiv mit eigenen Beiträgen an Seminaren teilzunehmen, und dem tatsächlichen Verhalten, diesen Beitrag – aus welchen Gründen auch immer – nicht zu leisten.
    |14| Zum Teil wird realistisch eingeschätzt, dass man zu wenig sicheres Wissen angehäuft
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