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Raus mit der Sprache

Titel: Raus mit der Sprache
Autoren: Ursula Steinbuch
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sind, die Kommunikation zu fördern, weder zwischen den Kommilitonen untereinander noch mit Dozenten und Professoren.
    Ich erwähne dies, weil nicht alles Schweigen dem individuellen Unvermögen anzulasten ist. Ich meine allerdings, dass da, wo die äußeren Bedingungen nicht von heute auf morgen zu ändern sind – und an dem Faktum Massenuniversität wird sich so schnell nichts ändern –, es notwendig ist, sie erst einmal als gegeben zur Kenntnis zu nehmen. Das heißt weder, sie zu rechtfertigen, noch vor ihnen zu kapitulieren.
    |20| Damit stellt sich für jeden Studierenden die Frage: Was kann ich, will ich, muss ich tun, um mich zurechtzufinden, um mit diesen erschwerten Bedingungen klarzukommen?
    Es ist eine Versuchung, die objektiv vorhandenen Unzulänglichkeiten so in den Vordergrund zu schieben, dass man sich gut hinter ihnen verstecken und damit dann die eigene Passivität rechtfertigen kann. Das führt aber nicht weiter.
    Beide Faktoren, sowohl die biographischen Veränderungsprozesse als auch die institutionellen Bedingungen, führen zu Umbruch, Neuorientierung und damit zu Unsicherheiten auf verschiedenen Ebenen. Kein Wunder, dass sich das bisweilen auf das Selbstwertgefühl niederschlägt, dass Sie gerade in dieser Phase darauf angewiesen sind, für das, was Sie tun, Bestätigung und Anerkennung durch andere zu erfahren, und auch Gefahr laufen, sich zu überschätzen und mit unrealistischen Vorstellungen und Ansprüchen an sich selbst zu überfordern.
    Mit dieser komprimierten Auflistung möchte ich um einen verständnisvollen und freundlichen Umgang mit sich selbst werben. Ich fürchte, dass das für die meisten von Ihnen noch keine Selbstverständlichkeit ist. Aber es studiert sich besser, wenn Sie nicht besser sein wollen, als Sie sind, und sich und anderen das eingestehen – wenn Sie also gar nicht erst dem Uni-Bluff aufsitzen.
    Sehr eingängig beschreibt Wolf Wagner diese Mechanismen in seinem Buch
Uni-Angst und Uni-Bluff – wie studieren und
sich nicht verlieren,
das längst als Klassiker gilt und das unter der Überschrift »Wer nicht fragt, bleibt dumm« mit dem Hinweis empfohlen wurde, dass es Pflichtlektüre für Leute im ersten Semester sein sollte – und für solche im zwanzigsten erst recht.

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|21| 2. Ein wenig Theorie - Der Redeangst auf die Spur kommen

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Das Gefühl Angst
    Sich überwiegend den angenehmen, schönen Seiten des Lebens zuzuwenden entspricht einem verbreiteten Zeitgeist. Alles, was sich unserer erfolgs- und wohlstandsorientierten Einstellung in den Weg stellt und stört – beispielsweise Angst –, wollen wir nicht wahrhaben. Ich will Sie mit ein paar allgemeinen Überlegungen dazu anregen, das Gefühl Angst an sich herankommen zu lassen und sich mit ihm zu beschäftigen.
    Angst ist prinzipiell ein ganz wichtiges Gefühl, ein Signal, dass man sich in Gefahr befindet oder sich in Gefahr fühlt.
    Angst als Reaktion, wenn Gefahr im Verzug ist, hat in der Entwicklungsgeschichte des Menschen eine wichtige Funktion: Sie sichert sein Überleben. Sobald wir etwas wahrnehmen, das uns bedrohlich erscheint, verspüren wir Angst. Angst ist unser »psychologisches« Warnsystem.
    Wir wissen, dass durch die Angst im Organismus schlagartig Reserven mobilisiert werden (durch vermehrte Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin) und der Bedrohte auf Flucht oder Kampf eingestimmt wird.
    Zwar gibt es auch heute noch Situationen, in denen es ums rein physische Überleben geht, wo Angst die Funktion hat, körperliche Höchstleistungen auszulösen, um physische Bedrohung zu überwinden. Aber sehr viel häufiger tritt Angst in Situationen auf, die als soziale Bedrohung empfunden werden, deren Bewältigung intellektuelle Leistungen verlangt. In derartigen |22| Situationen ist Angst mit ihren durch sie freigesetzten physischen Reaktionen und Energien dann gerade kein »Lebensretter«, sondern verhindert eher, dass wir unser Bestes geben.
    Da es also heute überwiegend nicht mehr um das körperliche Überleben geht, stellt sich die Frage, was an sozialen Situationen so gefährlich sein kann, dass unser Körper in seiner Reaktion keinen Unterschied macht zwischen der sozialen Bedrohung durch andere Menschen und der Lebensbedrohung durch eine Horde Raubtiere.
    Wir haben gesehen, dass es sich beim Übergang von der Schule zur Hochschule um eine Phase der Neuorientierung und Verunsicherung handelt und dass das Selbstwertgefühl gerade dann auf wohlwollenden
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