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Raus mit der Sprache

Titel: Raus mit der Sprache
Autoren: Ursula Steinbuch
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Zuspruch, Anerkennung und Unterstützung angewiesen ist, man sich also abhängig fühlt von der Zustimmung der Gruppe.
    Wenn man einerseits das Gefühl hat, dass der Selbstwert von der Zustimmung der andern abhängt, aber andererseits von der Gruppe nur erwartet, dass sie ›kritisiert‹, ›bloßstellt‹, ›Fehler nachweist‹ oder ›Beiträge zerfetzt‹, dann löst das in der Tat außerordentlich bedrohliche Gefühle aus. Wenn man die Gruppe so sieht, wie beschrieben, wenn man vermutet, von den anderen entwertet und verachtet zu werden, ist es angemessen, mit Angst zu reagieren.
    Angst gehört unausweichlich zu unserem Leben. Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir ein Leben ohne Angst leben können. Wir können nur versuchen, Gegenkräfte gegen die Angst zu mobilisieren bzw. zu entwickeln: Mut, Vertrauen, Hoffnung, Geduld, Erkenntnis. Diese können uns helfen, Angst anzunehmen, uns mit ihr auseinander zu setzen, sie immer wieder neu zu besiegen.
    Wenn wir Angst einmal »ohne Angst« anschauen, dann bekommen wir die Vorstellung von einer Medaille mit zwei Seiten: Einerseits kann sie uns aktiv machen, andererseits kann sie uns lähmen. Ob sie uns aktiviert oder lähmt, hängt vom Grad der Angst ab. Moderate Angst mobilisiert zusätzliche Kräfte. Übermächtige Angst führt zu Kontrollverlust und unkoordiniertem |23| Verhalten. Ob sie uns aktiviert oder lähmt, hängt aber auch von den Verarbeitungsmechanismen ab: ob jemand eher gelernt hat, dass es ihm besser geht, wenn er die Angst vermeidet, indem er sie verdrängt, überspielt, leugnet; oder ob er gelernt hat, dass es ihm besser geht, wenn er ihr begegnet und sie überwindet.
    Jeder Mensch hat seine persönliche individuelle Form der Angst und der Angstbewältigung. Sie hängt mit unseren Lebensbedingungen, das heißt mit unseren Anlagen und unserer Umwelt zusammen; sie hat für jeden von uns eine eigene Entwicklungsgeschichte, die praktisch mit unserer Geburt beginnt.
    Das Annehmen und das Meistern der Angst markiert einen Entwicklungsschritt, lässt uns ein Stück reifen. Das Ausweichen vor ihr und das Vermeiden der Auseinandersetzung mit ihr, lässt uns dagegen stagnieren. Es hemmt unsere Weiterentwicklung und lässt uns dort kindlich bleiben, wo wir die Angstschranke nicht überwinden (Riemann, 1975).

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Ursachen für Redeangst
    Wenn ich an der Hochschule Veranstaltungen zum Umgang mit Redeangst anbiete, ist es mir bei der jeweiligen Vorbesprechung wichtig zu betonen, dass es sich
nicht
um eine Therapie-, sondern um eine Trainingsgruppe handelt. Das heißt, wir beschäftigen uns nicht in erster Linie mit den Ursachen für Redeangst bei den einzelnen Teilnehmern. Man kann viel Zeit auf die Ursachenanalyse verwenden, aber am Verhalten hat sich deshalb noch lange nichts geändert. Ähnlich wie beim Autofahren, das man lernen kann, ohne das Innenleben eines Motors genau zu kennen und zu verstehen, kann man lernen, mit der Redeangst umzugehen, ohne genau zu wissen, worauf sie zurückzuführen ist.
    Dennoch lohnt sich ein kurzer Blick auf die unterschiedlichen Erklärungsansätze für Redeangst (Beushausen, 1996).
    An den unterschiedlichen Ursachen, die genannt werden, lässt sich zugleich ablesen, welche Bedeutung einerseits den |24| biologischen Faktoren und der eigenen Veranlagung, andererseits den sozialen Faktoren und der Umwelt beigemessen wird.
Eine mögliche Ursache für Redeangst ist die genetische Disposition. Ihr Einfluss wird aber eher gering eingeschätzt.
Redeängste können auch in Zusammenhang stehen mit der Verstärkung bzw. Bestrafung, wenn ein Kind für seine Versuche, mit anderen zu kommunizieren, keine Verstärkung oder gar Bestrafung erfährt (Klassisches Konditionieren).
Redeängstliche scheinen häufiger bestraft oder gemaßregelt und weniger in ihrem Kommunikationsverhalten bestärkt worden zu sein als Nicht-Redeängstliche. Wer wegen seiner Äußerungen häufiger kritisiert worden ist, neigt eher dazu, derartige Situationen zu vermeiden, was dann wiederum mangelnde Erfahrung im Reden zur Folge hat. Gedanken des Selbstzweifels, der eigenen Inadäquatheit und Selbstbeschuldigung können als verinnerlichte Missbilligung der Umgebung interpretiert werden.
Wenn man davon ausgeht, dass Kinder ihre Eltern in ihrem Kommunikationsverhalten nachahmen, führen ein mangelhaftes Vorbild oder soziale Isolierung zur Verinnerlichung eines defizitären Modells kommunikativer Fertigkeiten (Modell-Lernen).
Ein weiterer Ansatz
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