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Raubvogel der Sterne

Raubvogel der Sterne

Titel: Raubvogel der Sterne
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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in dem Sessel vor seinem Schreibtisch saß und dessen Rücken mir zugekehrt war. Der Jemand drehte sich um, und mir blieben die Worte, die ich zu entgegnen vorgehabt hatte, im Halse stecken. Dann rief die Frau: „Race, Race! Kennst du mich nicht mehr?“
    Ich machte einen benommenen Schritt vorwärts; einen zweiten. Dann war sie auf mich zugeeilt, ihre Arme schlangen sich um meinen Nacken, und ich fing sie, immer noch ungläubig, auf: „Juli!“
    „O Race, ich dachte, ich würde sterben, als Mack mir sagte, du verließest den Planeten heute nacht. Es ist das einzige, was mich am Leben gehalten hat – das Wissen, daß ich dich wiedersehen würde …“ Sie schluchzte und lachte zugleich; ihr Kopf war gegen meine Schulter gesunken.
    Ich ließ sie sich ausweinen, hielt meine Schwester dann auf Armeslänge von mir und blickte auf sie hinunter. Einen Augenblick lang hatte ich die sechs Jahre vergessen, die zwischen uns lagen; jetzt las ich sie offen in ihrem Gesicht. Juli war einst ein hübsches Mädchen gewesen. Sechs Jahre hatten ihre Züge ausgeprägt und verfeinert bis sie Schönheit erlangten, aber die Haltung ihrer Schultern sprach von Niedergedrücktheit, und ihre Augen hatten das Grauen geschaut.
    „Was ist vorgefallen, Juli? Wo ist Rakhal?“
    Sie schauderte, und jetzt gewahrte ich, in welchem Zustand der Erschütterung sie sich befand.
    „Ich weiß es nicht. Verschwunden. Er ist verschwunden, das ist alles, was ich weiß. Und er hat Rindy mitgenommen!“
    Ich stand über ihr und fragte: „Wer ist Rindy?“
    Juli bewegte sich nicht, und ihre Stimme klang bar jeder Empfindung.
    „Meine Tochter. Unser kleines Mädchen.“ Magnusson warf mit rauher Stimme ein: „Nun, Cargill? Hätte ich Sie starten lassen sollen?“
    „Seien Sie kein Narr!“
    „Ich fürchtete, Sie würden dem armen Kind erklären, es wäre selber an seinem Schicksal schuld“, brummte er. „Sie sind dazu imstande.“
    Juli lächelte Magnusson schwach an und sagte: „Sie wollten auch nicht, daß ich Rakhal heiratete, Mack. Zuletzt …“
    „Sie gießen Wasser auf Ihres Bruders Mühle“, grunzte Magnusson. „Aber ich habe selbst Kinder, Miß Cargill – Mrs … .“
    Er hielt verwirrt inne, in der vagen Erinnerung, daß in den Dürrstädten eine ungebührliche Anrede als tödliche Beleidigung aufgefaßt werden kann. Sie erriet seine mißliche Lage.
    „Sie haben mich früher Juli genannt, Mack. Tun Sie es jetzt auch.“
    „Sie haben sich verändert“, entgegnete er ruhig. „Juli also. Am besten würden Sie Race das berichten, was Sie mir erzählt haben, und nichts davon auslassen.“
    Sie nickte. „Ich hätte nie aus eigenem Antrieb kommen können!“
    Ich wußte das. Juli war stolz, und sie hatte stets den Mut besessen, ihre Fehler auf sich zu nehmen. Diese Angelegenheit würde sich als etwas erweisen, das so unkompliziert war wie die Klage einer mißhandelten Frau oder selbst einer verlassenen Mutter. Ich zog mir einen Sessel heran, beobachtete sie und hörte ihr zu.
    Sie begann: „Sie begingen einen Fehler, als Sie Rakhal aus dem Geheimdienst entließen, Mack, Auf seine Art war er einer der loyalsten Männer, die Sie besaßen.“
    Magnusson hatte diese Äußerung offensichtlich nicht erwartet. Er runzelte die Stirn. „Juli, er ließ mir keine Wahl. Ich wußte nie, was in seinem Gehirn vorging. Wissen Sie es – selbst jetzt? Und seine letzte Handlung – haben Sie eine Vorstellung davon, was sie den Geheimdienst gekostet hat? Und – haben Sie sich das Gesicht Ihres Bruders genau angesehen, Juli?“ Juli hob langsam die Augen. Ich bemerkte, wie sie zusammenfuhr. Ich kannte ihre Gedanken. Drei Jahre lang hatte ich meinen Spiegel verhängt, hatte mir einen wirren Bart stehen lassen, weil er die Narben verbarg und mir die Prüfung ersparte, mich anzublicken, wenn ich mich rasierte.
    Juli murmelte fast unhörbar: „Rakhal ist in Wahrheit noch schlimmer.“
    „Das gibt mir eine geringe Genugtuung“, bemerkte ich. „Aber was hat dich hierhergebracht, Juli? Und was ist mit dem Kind?“
    „Ich kann dir nicht das Ende erzählen, ohne von Anfang an zu berichten“, versetzte Juli. „Zu Beginn arbeitete Rakhal als Händler in Shainsa.“
    Ihre Erwähnung überraschte mich nicht. Die Dürrstädte bildeten den Kern des terranischen Handels auf Wolf. Durch ihre Mitwirkung existierte Terra hier in Frieden und auf vertraglicher Grundlage, auf einem Planeten, der nur zur Hälfte oder in noch geringerem Maße menschlich war.
    Die
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