Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Autoren: Klaus Erfmeyer
Vom Netzwerk:
Wahrheit geschadet. Du hast zielsicher die Schwachpunkte gefunden, sogar das Merkblatt mit dem für die Crouchford bestimmten Fragen. Ich hatte weder für die Crouchford noch für die anderen Zeugen Fragenkataloge gefertigt, sondern diese erst geschrieben, bevor ich dir die Akten gab, um dir eine besonders sorgfältige Prozessführung vorzugaukeln. Dabei habe ich mich schlicht an die Daten meiner Mitschriften von den Verhandlungstagen gehalten und übersehen, dass die Vernehmung der Zeugin an einem anderen als dem ursprünglich geplanten Tag stattgefunden hatte.
    Ich schrieb es bereits zu Anfang: Hochmut hat mich getrieben und letztlich zu Fall gebracht. Ich wusste, dass mein Ende naht, wenn jemand den Fall richtig anpackt. Dieser Jemand bist du, und du wirst ihn im Sinne des Maxim Wendel zu Ende führen. Mitleid habe ich mit einem Menschen wie Wendel trotzdem nicht. Wir werden in dieser Frage unterschiedlicher Ansicht bleiben.
    Du findest in der Anlage den von mir komplett vorbereiteten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nebst sämtlichen Beweisantritten. Diesen Brief solltest du im Original ebenfalls beifügen. Er ist zugleich mein Geständnis. Über den Wiederaufnahmeantrag werden andere Richter entscheiden als die frühere Kammer unter Vorsitz des unsäglichen Herrn Froog, der sich wie Oberstaatsanwalt Kreimeyer nie dadurch auszeichnete, einen Fall, der auf den ersten Blick sonnenklar erscheint, gründlich zu hinterfragen. Die beiden sind – obwohl nur fahrlässig handelnd – willfährige Helfer gewesen. Aber ein schlechter Richter bleibt nun einmal trotzdem Richter, wenn er nicht vorsätzlich falsch urteilt.

    Der Unfall ist nun vier Jahre und rund zehn Monate her. Du bist kein Strafrechtler, Stephan, und du willst und wirst wahrscheinlich auch nie einer werden. Delias Taten sind in wenigen Wochen, also fünf Jahre nach dem damaligen Unfall, verjährt, nicht aber die von Böhringer, Traunhof und mir. Was meine Person betrifft, habe ich mich durch Tod meiner Verantwortung gestellt und sich ihrer zugleich entzogen. Ich wusste immer, dass ich mit meiner Schuld nicht auf Dauer würde leben können, aber ich wollte diesen Schlusspunkt erst setzen, wenn man Delia nicht mehr belangen kann. Delia ist frei, also auch von einem Vater befreit, der sie immer an der Entfaltung ihrer Persönlichkeit gehindert hat. Sie wird einen eigenen Abschiedsbrief über den Notar Bollermann erhalten. Je näher ich dem Ablauf der Verjährung von Delias Straftaten komme, desto gelöster werde ich.
    Traunhof und Böhringer nehmen mich zunehmend in die Zange. Sie wissen nicht, dass ich den Beweis in Händen halte, dass Delia den Mord an dem überlebenden Unfallopfer weder gebilligt noch gewollt und von der Tötung Gossmanns nicht einmal etwas gewusst hat. Also wissen sie auch nicht, dass sie ihr wesentliches Druckmittel bereits verloren haben.
    Traunhof und Böhringer argwöhnen, dass ich umfallen werde. Sie beäugen, was du herausfindest, obwohl ich ihnen praktisch nichts mehr erzähle. Aber sie fürchten, dass du mich einnimmst und umdrehst. Sie haben Angst vor dir, Stephan. Natürlich war es Traunhof, der deiner Marie einen Schreck einjagen wollte. Ich hatte ihn per SMS vom Zug aus darüber informiert, dass sich Marie mit Frau Wendel treffen wollte, weil ich sie mit Nachrichten füttern musste, um das ohnehin bei ihnen erwachte Misstrauen nicht noch anzuheizen. Die Information über das bevorstehende Treffen deiner Marie mit Frau Wendel erschien mir unkritisch, doch als ich später erfuhr, dass Traunhof begann, feinsinnigen Terror zu entfalten und er sogar grinsend gestand, Marie bedroht und nächtliche Anrufe getätigt zu haben, wusste ich, dass du und deine kleine Familie in Gefahr sind.

    Ich werde mich also erklären müssen, um euch zu schützen. Auf Dauer werden mir Traunhof und Böhringer nicht glauben, dass du auf der Stelle trittst. Ich habe dich heute gebeten, mit mir auf die Chamanna Jenatsch in die Schweiz zu fahren. Ich möchte dir dort all das gestehen, was ich hier geschrieben habe und noch heute beim Kollegen Bollermann hinterlegen werde. Die Zeit läuft mir weg, aber ich habe es auch nicht anders verdient. Delia wird mein Haus am Phönix-See erben. Ob du meine Kanzlei fortführen willst, überlasse ich dir. Mein Name steht nicht länger für gute anwaltliche Dienstleistung, sondern für Verrat, Korruption und Duldung von Verbrechen. Das ist schlechte Werbung, noch schlechter als die Werbeposse von Herrn Löffke.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher