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Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld

Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld

Titel: Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld
Autoren: Ian Rankin
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dem nichts entgegenzusetzen war. In Gesprächen mit ihm hatte sich Rebus oft einen Ringrichter gewünscht.
    Heute aber saß Pater Leary gemütlich und weitgehend friedfertig in einem Liegestuhl im Garten. Es war ein schöner Abend, warm und klar, mit einer leichten, kühlen Meeresbrise.
    »Ein idealer Tag für eine Ballonfahrt«, sagte Pater Leary und nahm einen Schluck Guinness aus seinem Glas. »Oder zum Bungeespringen. Ich glaub, sie haben so was Ähnliches auf den Meadows aufgebaut, nur für die Dauer des Festivals. Mann! Das würd ich gern mal ausprobieren.«
    Rebus blinzelte, schwieg aber. Sein Guinness war so kalt, dass er damit seine Zähne hätte betäuben können. Er verlagerte im Liegestuhl vorsichtig sein Gewicht. Bevor er sich hineingesetzt hatte, war ihm aufgefallen, wie verschlissen der Stoff war, wie abgewetzt an der Stelle, an der er sich um die waagrechten Holme spannte. Er hoffte, dass sie halten würde.
    »Gefällt Ihnen mein Garten?«
    Rebus betrachtete die leuchtenden Blüten, den sauber gemähten Rasen. »Ich weiß nicht viel über Gärten«, gestand er.
    »Ich auch nicht. Das ist keine Sünde. Aber ich kenn da so einen alten Burschen, der weiß darüber Bescheid, und für ein paar Kröten kümmert er sich um den hier.« Er führte sein Glas an die Lippen. »Und, wie geht’s so?«
    »Ganz gut.«
    »Und Dr. Aitken?«
    »Auch.«
    »Und sind Sie beide noch immer …?«
    »Mehr oder weniger.«
    Pater Leary nickte. Rebus’ Ton warnte ihn davor weiterzubohren. »Noch eine Bombendrohung, hm? Ich hab’s im Radio gehört.«
    »Könnte auch einfach ein Spinner sein.«
    »Aber Sie sind sich nicht sicher?«
    »Die IRA verwendet normalerweise bestimmte Kodewörter, damit wir wissen, dass sie es ernst meint.«
    Pater Leary nickte vor sich hin. »Und dazu noch einen Mord?«
    Rebus leerte sein Glas. »Ja.«
    »Die hören nicht mal für das Festival auf, oder? Was müssen nur die Touristen denken?« Pater Learys Augen blitzten.
    »Es wird langsam Zeit, dass die Touristen die Wahrheit erfahren«, sagte Rebus ein bisschen zu hastig. Er seufzte. »Es war ziemlich grausig.«
    »Tut mir Leid, das zu hören. Ich hätte nicht so schnoddrig sein sollen.«
    »Schon in Ordnung. Es ist ein Selbstschutzmechanismus.«
    »Sie haben Recht, das ist es wirklich.«
    Rebus kannte das. Das war auch der Grund für seine Witzeleien mit Dr. Curt, ihre Art, das Offensichtliche, das Unbestreitbare nicht an sich heranzulassen. Trotzdem hatte Rebus seit letzter Nacht das Bild dieser traurigen, aufgeknüpften Gestalt vor Augen, eines jungen Mannes, den sie bislang noch nicht einmal hatten identifizieren können. Das Bild würde ihn nie wieder loslassen. Jeder Mensch hat ein fotografisches Gedächtnis für das Grauen. Als er aus Mary King’s Close gekommen war, hatte er die High Street in den Glanz eines Feuerwerks getaucht vorgefunden, die Straßen voll von Menschen, die staunend zu den blauen und grünen Kaskaden am Nachthimmel emporstarrten. Das Feuerwerk wurde auf dem Schloss veranstaltet; das allabendliche Military Tattoo neigte sich seinem Ende zu. Er hatte keine große Lust gehabt, mit Mairie Henderson zu reden. Ja, er war ihr regelrecht über den Mund gefahren.
    »Das ist nicht besonders nett«, hatte sie gemeint, ohne sich einschüchtern zu lassen.
    »Das ist sehr nett«, sagte Pater Leary jetzt und rekelte sich noch wohliger in seinem Liegestuhl.
    Der Whisky, den Rebus getrunken hatte, konnte das Bild nicht auslöschen, sondern lediglich seine Ränder und Kanten verwischen, so dass das Motiv in der Mitte nur umso klarer hervortrat.
    »Wir sind nicht sehr lange hier, wie?«, fragte er jetzt.
    Pater Leary runzelte die Stirn. »Sie meinen, hier auf der Erde?«
    »Ja. Wir sind nicht lange genug hier, um irgendetwas ausrichten zu können.«
    »Erzählen Sie das dem Mann mit der Bombe in der Tasche. Jeder Einzelne von uns richtet einfach dadurch etwas aus, dass er da ist.«
    »Ich rede nicht vom Mann mit der Bombe, sondern davon, ihn aufzuhalten.«
    »Sie reden davon, Polizist zu sein.«
    »Ach, vielleicht rede ich auch über gar nichts.«
    Pater Leary gestattete sich ein flüchtiges Lächeln, während er den Blick nicht von Rebus’ Gesicht wandte. »Nicht etwas trübsinnig für einen Sonntag, John?«
    »Sind Sonntage nicht genau dafür da?«
    »Vielleicht für euch Söhne Calvins. Ihr redet euch ein, dass ihr verdammt seid, und dann verbringt ihr die ganze Woche damit, euch darüber lustig zu machen. Manche von uns danken dagegen
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