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Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld

Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld

Titel: Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld
Autoren: Ian Rankin
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Danke, dass Sie so schnell gekommen sind.«
    Der Arzt ging nicht darauf ein. »Sie sind mit Dr. Aitken befreundet, stimmt’s?«
    Ah, Patience Aitken. In dem Moment würde sie zu Hause sein, die Beine untergeschlagen, auf dem Schoß eine Katze und ein Buch, im Hintergrund langweilige klassische Musik. Rebus nickte.
    »Wir hatten früher eine Gemeinschaftspraxis«, erklärte Dr. Galloway.
    Jetzt waren sie im eigentlichen close , einer engen, ziemlich steilen Straßenschlucht zwischen steinernen Gebäuden. Entlang einer Seite der Straße verlief ein primitiver Abwasserkanal. Rechtwinklig abzweigende Gänge führten in dunkle Gelasse, wovon eines nach Auskunft des Constable eine Backstube mit noch intakten Öfen beherbergte. Der Constable ging Rebus allmählich auf den Geist.
    Es gab weitere Rohre und Leitungen, Rollen von Elektrokabeln. Das hintere Ende des close war durch einen Fahrstuhlschacht abgesperrt. Überall konnte man Spuren von Restaurierungsarbeiten sehen: Zementsäcke, Gerüste, Eimer und Schaufeln. Rebus zeigte auf eine Bogenlampe.
    »Können wir die anschließen?«
    Der Constable nickte. Rebus schaute sich um. Es war weder feucht noch kalt, noch waren irgendwelche Spinnweben zu sehen. Die Luft wirkte frisch. Und dennoch befanden sie sich drei oder vier Stockwerke unter dem Stra- ßenniveau. Rebus nahm die Taschenlampe und leuchtete durch eine offene Tür. Am Ende des Flurs konnte er ein aufgeklapptes hölzernes Klosett erkennen. Die nächste Tür führte in einen langen Raum mit gewölbter Decke, verputzten Wänden und einem Fußboden aus gestampfter Erde.
    »Das ist die Weinschenke«, sagte der Constable. »Die Schlachterei ist direkt nebenan.«
    So war es. Auch sie bestand aus einem einzigen Raum mit gewölbter Decke, verputzten Wänden und einem Fußboden aus festgetretener Erde. Aus der Decke ragten Eisenhaken, kurz und geschwärzt, aber ehemals dazu benutzt, Fleisch daran aufzuhängen.
    An einem von ihnen hing noch immer Fleisch.
    Es war der leblose Körper eines jungen Mannes. Sein Haar war dunkel und glatt und klebte an Stirn und Nacken. Man hatte ihm die Hände gefesselt und das Seil über einen Haken gezogen, so dass er, die Finger knapp unter der Decke, ausgestreckt herunterhing und mit den Zehen gerade noch den Fußboden berührte. Auch seine Fußknöchel hatte man zusammengebunden. Alles war voller Blut, das konnte man deutlich sehen, als die Bogenlampe plötzlich aufflammte. Es roch leicht nach Verwesung, aber Fliegen waren Gott sei Dank keine da. Dr. Galloway schluckte krampfhaft und ging eilig wieder hinaus auf die Gasse, um sich zu übergeben. Rebus ging mit gebührendem Abstand um die Leiche herum.
    »Erzählen Sie«, forderte er den Constable auf.
    »Na ja, Sir«, begann dieser, »die drei jungen Leute, also die hatten beschlossen, hier runterzukommen. Für die Dauer der Bauarbeiten finden keine Führungen statt, aber sie wollten bei Nacht hier runter. Über diesen Ort sind ein Haufen Gespenstergeschichten in Umlauf, von kopflosen Hunden und –«
    »Wie sind sie an den Schlüssel gekommen?«
    »Der Großonkel des Jungen macht hier Führungen, war bis zu seiner Pensionierung beim Bauamt oder so was in der Art.«
    »Sie kamen also auf der Suche nach Geistern her und fanden das.«
    »Genau, Sir. Sie sind wieder zur High Street hochgerannt und Police Constable Andrews und mir in die Arme gelaufen. Anfangs dachten wir, die wollten sich einen Jux mit uns erlauben.«
    Aber Rebus hörte schon gar nicht mehr zu, und als er sprach, waren seine Worte nicht an den Constable gerichtet.
    »Du armer kleiner Mistkerl, schau, was sie dir angetan haben.«
    Obwohl es gegen die Vorschriften war, beugte er sich vor und berührte das Haar des jungen Mannes, das sich noch immer etwas feucht anfühlte. Er war wahrscheinlich Freitagnacht gestorben und hätte eigentlich das Wochenende über hängen bleiben sollen – lange genug, um jede Spur zu verwischen.
    »Was meinen Sie, Sir?«
    »Schüsse.« Rebus betrachtete die Blutspritzer an der Wand. »Irgendwelche Hochgeschwindigkeitsgeschosse. Kopf, Ellbogen, Knie und Knöchel.« Er atmete scharf ein. »Er hat ein six-pack bekommen.«
    Auf der Gasse ertönten Schritte, und jetzt war der schwankende Strahl einer weiteren Taschenlampe zu sehen. Zwei Gestalten blieben in der Tür stehen, schwarze Silhouetten im Licht der Bogenlampe.
    »Kopf hoch, Dr. Galloway«, dröhnte eine männliche Stimme, an das Häufchen Elend gewandt, das noch immer draußen auf der Gasse
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