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Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld

Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld

Titel: Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld
Autoren: Ian Rankin
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Sie waren einschüchternde Gestalten, und das Opfer nahm das Angebotene an, ohne zu wissen, dass das Bier oder die Cola zerstoßene Mogadon-Tabletten oder einen anderen ähnlich schnell wirkenden Tranquilizer enthielt. Sobald das Opfer umkippte, nahm ihm die Gang Geld und Wertsachen ab. Man wachte mit einem matschigen Kopf oder, im schlimmsten Fall, mit ausgepumptem Magen wieder auf. Und auf alle Fälle mit leeren Taschen.
    Mittlerweile war eine weitere telefonische Bombendrohung eingegangen, diesmal nicht bei Lowland Radio, sondern bei der Zeitung. Rebus war zur Redaktion gefahren, um die Aussage des Journalisten aufzunehmen, der mit dem anonymen Anrufer gesprochen hatte. Der Raum glich einem Irrenhaus voll von Festivalund Fringe-Kritikern, die an ihren Rezensionen schrieben. Der Journalist hatte von seinen Notizen abgelesen.
    »Er sagte bloß, wenn wir das Festival nicht abbliesen, würden wir es bereuen.«
    »Klang er so, als ob er es ernst meinte?«
    »O ja, absolut.«
    »Und er hatte einen irischen Akzent?«
    »Klang so.«
    »Nicht nur nachgemacht?«
    Der Reporter zuckte die Achseln. Er hatte es eilig, seine Story zu schreiben, also ließ Rebus ihn laufen. Das war der dritte Anruf im Lauf dieser Woche, jedes Mal mit der Drohung, das Festival mit einer Bombe oder sonst wie zum Platzen zu bringen. Die Polizei nahm die Drohungen ernst. Wie hätte sie es sich auch leisten können, das nicht zu tun? Bislang hatten sich die Touristen nicht abschrecken lassen, dennoch legte man den Veranstaltern dringend nahe, vor den Auftritten Sicherheitskontrollen durchzuführen.
    Wieder in St. Leonard’s erstattete Rebus seinem Chief Superintendent Bericht und versuchte anschließend, etwas Papierkram aufzuarbeiten. Als bekennender Masochist mochte er die Samstagspätschicht recht gern. Sie zeigte einem die Stadt mit ihren vielen verschiedenen Gesichtern, gewährte einem einen lehrreichen Einblick in Edinburghs graue Seele. Die Sünde und das Böse waren nicht schwarz – darüber hatte er schon lange Gespräche mit einem Geistlichen geführt –, sondern von einer grauen Anonymität. Man sah sie die ganze Nacht lang, die grauen, starrenden Gesichter der Übeltäter und Unzufriedenen, der Frauenschläger und jugendlichen Messerstecher. Leer blickende Augen, ohne jedes Interesse außer an der eigenen Person. Und man betete, wenn man John Rebus war, betete darum, dass möglichst wenig Menschen je gezwungen sein würden, dieses undurchdringliche graue Namenlose aus solcher Nähe zu erleben.
    Dann ging man in die Kantine und tauschte mit den Jungs ein paar Witze aus, ein Lächeln im Gesicht, auch wenn man gar nicht zuhörte.
    »Hier, Inspector, kennen Sie den vom Tintenfisch mit dem Schnurrbart? Also gut, er kommt in ein Restaurant und –«
    Rebus wandte sich vom Detective Constable und dessen Witz ab und seinem klingelnden Telefon zu.
    »D.I. Rebus.«
    Während er zuhörte, verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht. Dann legte er auf und nahm sein Jackett von der Lehne des Stuhls.
    »Schlechte Nachrichten?«, fragte der D.C.
    »Worauf Sie Gift nehmen können, mein Junge.«
    Die High Street war voll von Menschen, die größtenteils nur herumschlenderten und sich umschauten. Junge Leute wuselten zwischen ihnen hin und her und versuchten, sie für die Fringe-Aufführungen zu begeistern, für die sie sich jeweils stark machten. Wahrscheinlich spielten sie darin sogar die Hauptrollen . Sie schoben eifrig Flugblätter in Hände, die schon voll von ähnlichen Wischen waren.
    »Nur zwei Pfund, so billig wie auf dem ganzen Fringe nicht!«
    »Eine solche Show bekommen Sie sonst nirgendwo geboten!«
    Es gab Jongleure und Leute mit bemalten Gesichtern und eine Flut von disharmonischen Klängen. Wo sonst auf der Welt würden Dudelsäcke, Banjos und Kazoos zu solch einer infernalisch-musikalischen Straßenschlacht aufeinander prallen?
    Die Einheimischen meinten, dieses Festival sei ruhiger als das letzte. Das sagten sie seit Jahren. Rebus fragte sich, ob diese Kulturkirmes je eine Glanzzeit erlebt hatte. Für seinen Geschmack war mehr als genug los.
    Trotz der warmen Nacht ließ er die Wagenfenster geschlossen. Doch er konnte nicht verhindern, dass ihm, während er im Schritttempo dahinkroch, Flugblätter unter die Scheibenwischer geschoben wurden, bis er kaum noch etwas sehen konnte. Seine strengen Blicke prallten an ungerührt lächelnden Schauspielschülergesichtern ab. Es war zehn Uhr und noch nicht lange dunkel; das war das Schöne am
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