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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter
Autoren: Robin Hobb
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aufbieten, bis sie eindrang. Der Drache quiekte im Schlaf. Ein lächerliches Geräusch für ein derart mächtiges Wesen. Mit den Klauen scharrte der Braune kurz am Boden, und Sedric wurde von Schrecken erfasst und hätte beinahe Reißaus genommen. Doch stattdessen zog er mit zitternden Händen einen Glaskolben aus seiner Tasche und entfernte den gläsernen Stöpsel. Dann wartete er ab. Einen Moment später begann das Blut zu rinnen, Tropfen für Tropfen. Er hielt den Kolben unter das Messer und fing die glänzenden Tropfen einen nach dem anderen auf.
    Aber seine Hände zitterten zu sehr. Nie zuvor hatte er so etwas gemacht, und er stellte fest, dass es nervenaufreibender war, als er gedacht hatte. Ein Tropfen verfehlte den Flaschenhals und rann glitschig über seinen Finger. Im selben Moment wurde aus dem Tropfen ein anhaltendes Rinnsal, und dann schoss es plötzlich mit Macht hervor. »Sa sei mir gnädig!«, stieß er vor Schreck und Entzücken aus. Die Flasche in seiner Hand wurde schwerer und lief plötzlich über. Er zog sie weg. Bevor er sie zustöpseln konnte, musste er erst ein wenig Blut ausgießen. Vergeblich wünschte er sich, er hätte einen zweiten Kolben mitgebracht. Er wischte sich die blutigen Hände an der Hose ab und verstaute die Flasche vorsichtig in seiner Tasche. Mit einem leichten Ruck zog er die Klinge aus dem Fleisch und steckte sie ebenfalls in die Tasche.
    Doch das Blut floss weiter.
    Sein seltsamer, würziger und echsenartiger Geruch stieg ihm in die Nase. Die Insekten, die ihm um den Kopf schwirrten, ließen von ihm ab und stürzten sich auf das sprudelnde Festmahl. Sie drängten sich dicht um die Wunde und soffen gierig. Der Blutstrahl ebbte zu einem Rinnsal ab, das an der Schulter des Drachen heruntersickerte und ins zertrampelte Gras tröpfelte. Dort bildete sich allmählich eine kleine Pfütze. Im Mondlicht war sie schwarz, und erst mit der Zeit, während er sie anstarrte, wurde sie rot. Sie schimmerte scharlachrot und purpurn. Die beiden Rottöne wirbelten wie Farben, die man ins Wasser rührte, umher, nur durch einen silbrigen Rand voneinander getrennt. Sedric fühlte sich davon angezogen und kauerte sich neben der Pfütze nieder, ganz in den Bann der Farben geschlagen.
    Irgendwann hob er den Blick zu dem feinen Blutrinnsal, das die Pfütze speiste. Er streckte die Hand aus und hielt zwei Finger in den Strom. Da teilte dieser sich und troff wie eine silberne Seidenschnur über seine Finger. Er nahm sie weg, beobachtete, wie das Blut ungehindert weiterfloss, und setzte die Finger an die Lippen, um sie abzuschlecken.
    Als das Blut seine Zunge berührte, schreckte er zurück und war entsetzt, dass er einem Impuls gefolgt war, der ihm gar nicht bewusst gewesen war. Der Geschmack des Blutes drang ihm in den Mund und überschwemmte seine Sinne. Er roch es überall, nicht nur in der Nase, sondern auch im Rachen und am Gaumen. Der Geruch schallte ihm in den Ohren, und seine ganze Zunge kribbelte und brannte. Er versuchte, das restliche Blut an seinen Fingern abzuschütteln und wischte sie sich an seinem Hemd ab. Mittlerweile war er mit Blut und Schlamm beschmiert. Und der Drache blutete noch immer.
    Er bückte sich und schaufelte mit der Hand etwas Schlick und Blut vom Boden auf. Es war heiß und kalt zugleich und fühlte sich an, als würde es sich winden, eine flüssige Schlange, die sich in seiner Handfläche ein- und ausrollte. Er verputzte die Wunde mit dem Gemisch, als handle es sich um Gips. Doch als er die Hand wegnahm, brach der Blutstrom erneut durch. Noch eine Handvoll Schlick und noch eine, und die letzte presste er vor Furcht und Anstrengung keuchend gegen den Hals des Drachens. Noch immer schmeckte und roch er nur den Drachen, er spürte ihn im Mund und in seiner Kehle. Es war ein Drache. An Hals und Rücken hatte er Schuppen, seine Klauen waren im Morast versunken, und seine Schwingen wollten sich nicht öffnen. Und was war ein Drache, der nicht fliegen konnte? Von Schwindel ergriffen, wankte er vor und zurück, und als er schließlich davontaumelte, war der Blutstrom endlich versiegt.
    Eine Zeit lang stand Sedric gekrümmt, mit den Händen auf den Knien abgestützt da, sog die Nachtluft ein und versuchte sich zu beruhigen. Als sein Kopf wieder klarer war, straffte er sich, und statt Schwindel empfand er Erschrecken darüber, wie stümperhaft er gehandelt hatte. Was war aus seinen Vorsätzen geworden, heimlich vorzugehen, und ohne Spuren zu hinterlassen? Er war mit Schlamm und
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