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Rain Song

Rain Song

Titel: Rain Song
Autoren: Antje Babendererde
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Schaumkronen. Die Wolken brachen auf und schoben sich wieder zusammen. Sie wechselten ständig ihre Farben und Formationen.
    »Ich wohne mit meinem Vater zusammen. Er hat dieses Haus selbst gebaut.«
    Gefesselt von den wechselnden Bildern hinter der Scheibe, reagierte Hanna nicht gleich auf Gregs Antwort. Erst nach einer Weile wurde sie sich ihres eigenen Schweigens bewusst. »Was?« Irritiert blickte sie ihn an.
    »Sie haben mir gerade eine Frage gestellt«, erinnerte er sie verwundert.
    »Tut mir leid, aber für einen Moment war ich so gebannt von diesem Ausblick, dass ich … Sie und Ihr Vater, sagten Sie?«
    »Ja. Mein Vater und ich.«
    War da ein bitterer Unterton in seiner Stimme gewesen? Sie sah ihn an, aber seine Miene war ausdruckslos. »Wäre dies mein Haus«, sagte sie, »würde ich vermutlich den ganzen Tag auf diesem wunderschönen Teppich liegen und nichts anderes tun, als auf den Ozean hinauszustarren.«
    Greg folgte ihrem Blick. »Ich bin lieber unten am Strand und lasse mir den salzigen Wind um die Nase wehen.« Er erhob sich und hockte sich vor den Kamin, um mit einem eisernen Haken die Glut zusammenzuschieben und neues Holz nachzulegen. »Ach, übrigens habe ich unserem Polizeichef gemeldet, was passiert ist«, wechselte er das Thema. »Das Geländer muss schnellstens repariert werden. Der Chief war sehr besorgt, dass es Gerede geben könnte.«
    Gerede?
    »Was für Gerede meinen Sie?«
    »Na ja«, Greg hob die Schultern, »einige von uns versuchen gerade, Neah Bay ein wenig attraktiver für Touristen zu gestalten. Wissen Sie, die meisten Leute hier leben vom Fischfang. Aber die Ausbeute wird immer spärlicher, weil ausländische Fangflotten und Sportfischer uns unsere Fischgründe streitig machen. Kunsthandwerk und Tourismus sind eine Chance, das auszugleichen. Wir leben hier ziemlich isoliert vom Rest der Welt, das macht es nicht leichter. Wenn die Sache mit dem Geländer erst publik wird, dann …« Greg atmete hörbar ein und setzte sich in den anderen Sessel.
    »Keine Sorge, ich werde schweigen wie ein Grab. Es ist ja nichts passiert.«
    Er sah ins Feuer, doch sein skeptischer Blick war ihr nicht entgangen.
    »Was ist denn?«, fragte sie. »Glauben Sie mir nicht?«
    »Sie wollen kein Schmerzensgeld verlangen?«
    »Nein, mir tut ja nichts weh. Am liebsten würde ich die ganze nasse Angelegenheit so schnell wie möglich vergessen. Schließlich bin ich nicht den weiten Weg aus Deutschland hierhergekommen, um mich mit Anwälten herumzuschlagen.«
    Sie schüttelte den Kopf und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Dass Greg sich über solche Dinge Gedanken machte, amüsierte sie. Andererseits musste er sie für eine gewöhnliche Touristin halten und konnte nicht wissen, warum sie den weiten Weg aus Deutschland wirklich gemacht hatte.

2. Kapitel
    Deutschland .
    Greg Ahousat hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Hanna war Deutsche, und das änderte alles.
    Dass sie keine Amerikanerin war, hatte er sich bereits denken können. Ihr Englisch war gut, aber er hatte gemerkt, dass es nicht ihre Muttersprache war. Dass sie jedoch ausgerechnet aus Deutschland kam, traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube. Greg fühlte, wie Zorn an einer wunden Stelle aufstieg, und er wusste, dass er nichts, aber auch gar nichts dagegen tun konnte.
    »Gut.« Abrupt sprang er auf. »Wenn Sie mir den Autoschlüssel geben, dann hole ich Ihren Wagen, damit Sie an Ihre Sachen kommen und sich umziehen können.«
    Und aus meinem Haus verschwinden, fügte er stumm hinzu. Plötzlich wollte er Hanna so schnell wie möglich loswerden.
    Sie schien seinen Stimmungswechsel nicht bemerkt zu haben. »Es ist ein roter Chevy Casanova«, sagte sie, »einen Moment, ich hole den Schlüssel.«
    Sie verschwand im Bad, kehrte aber wenig später mit zerknirschtem Gesicht in die Diele zurück. »Tut mir leid, aber der Schlüssel muss mir während des Sturzes aus der Tasche gefallen sein. Er ist nicht mehr da. So ein verdammter Mist.« Sie kaute auf ihrer Unterlippe und ihre grünen Augen funkelten ärgerlich.
    Es ist nicht ihre Schuld, dachte Greg. Und trotzdem – er verspürte keine Lust mehr, etwas Mitfühlendes zu sagen. »Auch das noch«, erwiderte er und musterte die Deutsche kühl. Auf einmal sah er sie mit ganz anderen Augen. Ihr von der Hitze des Feuers gerötetes Gesicht war von unzähligen winzig braunen Punkten übersät, die sich auf der Nase konzentrierten.
    Greg dachte an die Maske eines indianischen Künstlers, die
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