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Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta

Titel: Bratt, Berte 02 - Zwei Briefe fuer Britta
Autoren: Berte Bratt
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Zwei Briefe
    Zwei Briefe waren es, die damals, vor zwei Jahren, meine ganze Zukunft und mein ganzes Glück bestimmten.
    Dabei waren sie nicht einmal für mich! Sie waren an Vati gerichtet, und trotzdem denke ich an sie als meine Briefe.
    Der erste kam an einem Abend an, als ein richtiger Herbststurm über unsere Nordsee-Insel brauste. Unsere Insel heißt übrigens Seehundsrücken, und so sieht sie auch aus.
    Vati und ich wohnen dort zusammen mit Omi und Tante Birgit. Tante Birgit ist Vatis Schwester und Lehrerin in unserer Schule. Omi führt uns den Haushalt, nachdem Mutti starb, als ich zehn war.
    Vati ähnelte selbst einem Seehund, als er zur Tür reinkam. In seinem Regenmantel war er so glatt und durchnäßt wie ein Seehund. Er hatte die Post geholt.
    „Etwas für mich, Paps?“
    Er gab mir eine Postkarte. Sie war von meiner Kusine Ellen. Ellen ist zehn Jahre älter als ich und Dänin, wie meine Mutter es gewesen war. Ellen hatte dreimal Sommerurlaub bei uns gemacht, und wir verstehen uns glänzend. Sie ist weitgereist, sprachkundig und ein feiner Kerl.
    „War mehr da?“
    „Ein Brief für mich. Mal sehen...“ Vati schälte sich aus seinem Regenzeug und setzte die Brille auf. Der Brief wurde aufgerissen, und er las. Dann kam ein Japsen.
    „Du liebe Zeit!“
    „Was ist es, Paps? Was Schlimmes?“
    „Schlimmes? Britta, Menschenskind - denk dir - ich habe ein Stipendium gekriegt!!“
    „Stipendium?“ kam es dreistimmig von Omi, Tante Birgit und mir.
    „Stipendium! Reisestipendium! Studienstipendium! Haufenweise Geld! Ich bin verpflichtet, ins Ausland zu reisen. Ich darf nicht das Geld für ein neues Reetdach ausgeben - nein, auch nicht für eine Waschmaschine, Omi! Es ist ein ,Reisestipendium’!“
    Wir waren in Aufruhr. Vati sollte reisen, er sollte ins Ausland, sollte fremde Menschen kennenlernen, fremde Luft atmen. Vor allem: Er sollte neue Anregungen kriegen und großartige Bilder malen!
    Wir redeten alle durcheinander. Nie hatte ich Vati so ganz aus dem Häuschen gesehen.
    „Du bist ein Glückspilz, Paps!“ sagte ich.
    Daß ich selber der zweite Glückspilz werden sollte, ahnte ich in dem Augenblick nicht.
    Vati war voller Pläne und Omi voll Bekümmernis.
    „Du liebe Zeit, Benno“, sagte sie mit einem Blick, als wäre ihr einziger Sohn vierzehn und nicht vierundvierzig. „Wie willst du allein fertig werden, du, der keinen Knopf annähen und keine Kartoffeln kochen kann?“
    Leider hatte Omi recht. Vati hält sozusagen den Rekord in Ungeschicklichkeit.
    Aber Vati warf alle Bedenken über den Haufen. Sein Lächeln war reinster Sonnenschein, und er begrub sich unter Reiseprospekten.
    Wo soll nun die Reise hingehen?
    Tagtäglich hatte er neue Pläne. Er wollte nach Paris; Montmartre und den Louvre erleben und „dieses merkwürdige, herrliche Licht in Paris“. Dann wollte er nach London; am nächsten Tag war Rom das Ziel seiner Wünsche. Aber als er anfing, von Indien zu fabeln, baten wir ihn, in die Wirklichkeit zurückzukehren und eine Berechnung aufzustellen. Das Stipendium war wohl ziemlich imponierend, aber für eine Indienreise würde es bestimmt nicht ausreichen.
    Vati begann zu rechnen und kehrte damit zur Wirklichkeit zurück.
    „Wenn das Leben nur nicht so teuer wäre“, seufzte er. „In Frankreich soll es verdammt teuer sein - und ich würde ja am liebsten - “ Er brach ab, blieb sitzen und starrte in die Luft...
    Dann kam der nächste Brief. Er war auch nicht für mich. Und trotzdem denke ich immer noch an ihn als „meinen“ Brief.
    Wieder kam Vati von der Post. Diesmal regnete es nicht, und er hatte unterwegs den Brief aufgemacht und gelesen.
    Er packte mich an beiden Schultern und drehte mich wie einen Kreisel rum.
    „Britta! Erinnerst du dich noch an Redakteur Ahlsen?“
    Und ob ich mich erinnerte!
    Die Art und Weise, wie wir den dänischen Redakteur Ahlsen kennengelernt hatten, ließ sich nicht so leicht vergessen.
    Es war in dem Sommer, als ich zwölf war. Ich unterhielt mich am Strande mit ein paar Kindern von Sommergästen und erzählte ihnen von unserer gefährlichen Küste, von den heimtückischen Wirbeln und von den Sommergästen, die durch ihre Gedankenlosigkeit ständig unsere Badewärter in Alarmbereitschaft halten. Ich trug dick auf und schilderte die Lebensgefahr in grellen Farben.
    Da ich die logische Tochter meines logischen Vaters bin, war es eigentlich nicht erstaunlich, daß ich selbst fünf Minuten später direkt hinaus in einen Wirbel schwamm. Es kam, wie es
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