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Rachekind: Thriller (German Edition)

Rachekind: Thriller (German Edition)

Titel: Rachekind: Thriller (German Edition)
Autoren: Janet Clark
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beugte sich über sie und neigte ihr Ohr ganz nah an Lilous Mund. Leise Atemgeräusche drangen zu ihr. Beruhigt ging sie zurück und legte ihre Jacke ab. Britt stand noch immer unschlüssig in der Tür. Energisch winkte Hanna sie herein.
    Britt zog ihre Pumps aus, und Hanna bemerkte, wie klein ihre neue Nachbarin war. Grob geschätzt einen Meter sechzig, auch wenn sie mit den hohen Absätzen und den hochtoupierten schwarzen Haaren größer wirkte. Hanna fragte sich, wie Britt es schaffte, den ganzen Tag auf diesen Absätzen zu stehen. Sie nahm Britts Jacke und hängte sie zu ihrer.
    »Kaffee oder Tee?«
    »Wasser. Kaffee ist tödlich für den Teint.« Britt folgte ihr in die Küche und setzte sich auf die Bank unter dem Fenster. Hanna stellte für sie ein Glas Mineralwasser auf den Tisch und machte sich einen Kaffee. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie Britt das Gesicht der schlafenden Lilou studierte, als wollte sie sich jeden Zug genau einprägen.
    »Ich habe immer noch nicht verstanden, was ihr nun eigentlich gefehlt hat«, sagte Britt, als Hanna sich mit dem Kaffee an den Tisch gesellte.
    »Sie hatte einen Atemstillstand. Einfach so. Es wurden alle möglichen Tests gemacht. Aber die Ärzte haben keine Erklärung gefunden …« Hannas Stimme brach. Sie betrachtete ihre Tochter, deren Lippen im Schlaf ein Lächeln andeuteten.
    Britt sah sie mitfühlend an. »Da hast du ganz schön Glück gehabt. Stell dir mal vor, du hättest nicht nach ihr gesehen! Hat sie … Bleiben irgendwelche … Schäden?«
    »Weiß ich nicht. Die Ärztin meint, es sei zu früh für einen endgültigen Befund. Es kommt darauf an, wie lange ihr Gehirn ohne Sauerstoff war.«
    Anstelle einer Antwort legte Britt ihre Hand auf Hannas Arm. Die Geste sagte mehr, als sie mit Worten hätte ausdrücken können, und Hanna spürte die Wärme, die von ihr ausging. Wie man sich täuschen konnte. Sie hatte Britt als oberflächlich eingestuft. Ihr perfektes Styling, der trendige Look, mit dem sie ein wenig an eines dieser Popstarlets erinnerte. Es musste sie Stunden kosten. Sie bat Britt innerlich um Abbitte, sie in eine Schublade gesteckt zu haben, nur weil ihr selbst es genügte, kurz durch die schulterlang gestuften Locken zu kämmen und etwas Mascara und Lipgloss aufzutragen. Inzwischen begriff sie, dass Britts Aussehen Teil ihres Jobs war. Und dass einer Friseurin das Ausfragen und Zuhören zur zweiten Natur wurde, konnte sie nachvollziehen.
    »So eine Hübsche«, sagte Britt schließlich in das Schweigen hinein. »Sieht sie Steve ähnlich?«
    »Hast du Steve denn noch gar nicht kennengelernt?«, fragte Hanna erstaunt.
    »Ich habe ihn nur zwei- oder dreimal kurz im Treppenhaus gesehen.«
    Hanna ging zur Pinnwand neben der Küchentür und nahm ihr Lieblingsfoto von Steve herunter. »Hier. Sie hat seinen Mund, findest du nicht?«
    Britt vertiefte sich in das Foto. Steve mit zerzausten Haaren an Bord des Segelbootes, das sie vorletzten Sommer an der Nordsee gemietet hatten. Den Mund zu einem breiten Lachen verzogen, die muskulösen Arme spielerisch nach vorne gestreckt, als wolle er den Fotografen davon abhalten, ihn auf den Film zu bannen. Das Bild brachte alles zum Ausdruck, was sie an Steve liebte: die Unbekümmertheit, mit der er sich über Regeln hinwegsetzte, den Humor, die Abenteuerlust. Wie anders die letzte Woche im Krankenhaus mit ihm zusammen verlaufen wäre … Wäre! Die brennende Ungewissheit meldete sich wieder. Die Bilder, die sie seit Tagen verfolgten. Die sich, genährt von ihrer angstbeflügelten Fantasie, in einer unendlichen Schleife wiederholten. Die sie jeden Abend so lange gequält hatten, bis sie der Schwester Bescheid gesagt und ihre Joggingschuhe angezogen hatte, um mit der gleichen Beharrlichkeit die Straßen nach Steve abzulaufen, mit der sie früher die Unterlagen ihrer Eltern nach Antworten abgesucht hatte. Steves Verschwinden war unerklärlich. Nie hätte er Lilou alleine zurückgelassen. Nie. Das hatte er am Abend vor dem Event erst wieder bestätigt.
    Ich vertraue unsere Prinzessin keinem Fremden an.
    Es ist doch nur für ein paar Stunden.
    Nicht einmal für eine Minute.
    Wenn du so weitermachst, wird sie nie aufhören zu fremdeln.
    Alle Kinder fremdeln. Das ist ein Schutzmechanismus.
    Aber nicht so extrem wie Lilou. Sie fängt schon an zu weinen, wenn sich jemand hinter mir an der Kasse anstellt.
    Nächstes Jahr. Wir haben alle Zeit der Welt, um wieder gemeinsam zu solchen Veranstaltungen zu gehen.
    Was immer
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