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Rachekind: Thriller (German Edition)

Rachekind: Thriller (German Edition)

Titel: Rachekind: Thriller (German Edition)
Autoren: Janet Clark
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Fahrers sich hastig abwandten. Hanna lächelte und verweilte mit ihrem Blick auf dem baumelnden Pappbäumchen, dessen künstliches Pinienaroma sich in dem porösen Leder festgesetzt hatte. Sie hasste es, wenn man sie anstarrte. Sie hatte es immer gehasst. Schon als Kind, wenn die Menschen sie unverhohlen anglotzten, sobald sie erfuhren, dass ihr Vater Werner von Ebershausen war. Sie hatte ein untrügliches Gespür dafür entwickelt, wenn Blicke unangemessen lang auf ihr verweilten. Doch im Gegensatz zu früher hatte sie sich heute unter Kontrolle, wenn es geschah.
    »Ich kenne Sie«, durchbrach der Fahrer die Stille. Seine Stimme war kratzig und dünn.
    »Ach?« Hanna konnte sich nicht erinnern, je mit ihm Taxi gefahren zu sein.
    »Sie sind Frau Warrington. Vom Schlüsseldienst in der Kleinmarschierstraße.«
    »Stimmt.«
    »Und«, fuhr er aufgeregt fort, »Sie sind die Frau, die jedes Schloss knacken kann!« Seine Augen suchten die ihren im Rückspiegel. »Ich hab die Sendung damals mit Ihnen gesehen. Das war ein ziemlich starker Auftritt, waren Sie nervös?«
    »Dass ich es nicht schaffe?«
    »Es war immerhin live im Fernsehen.«
    Hanna überlegte. Hatte sie auch nur eine Sekunde daran gezweifelt, alle Schlösser in Rekordzeit knacken zu können? Nein, hatte sie nicht. Sie hatte diese Fähigkeit in sich. Sie erspürte genau den Punkt, an dem der Mechanismus nachgab, erfühlte die Schwachstelle jedes Schließsystems. Als wäre ein Schloss ein Lebewesen, das mit ihr kommunizierte. Seit sie denken konnte, war das so gewesen. Jedenfalls erinnerte sie sich an keine Zeit, an der eine zugesperrte Schublade oder eine verschlossene Tür ihrer Neugier Einhalt geboten hätte. »Natürlich. Wären Sie nicht nervös gewesen?«
    »Na klar! Und wie! Ich hab zu meiner Frau gleich gesagt, da schau, das ist die Frau vom Schlüsseldienst. Die wollte das erst gar nicht glauben. Aber ich hab ihr gesagt, Lene, glaub mir, das ist die Warrington, die hat mir die Schließanlage in der Sechzehn eingebaut. Und schon brechen Sie einen Rekord.«
    Hanna beugte sich vor und betrachtete den Fahrer im Rückspiegel. Jetzt erinnerte sie sich. Er hatte sie von Wohnung zu Wohnung begleitet und dabei unaufhörlich von seiner Tochter gesprochen. Dass sie studierte und alles so teuer sei. Dass er abends Taxi fahren müsse, um das Studium zu finanzieren.
    »Das muss mindestens eineinhalb Jahre her sein. Sie waren dort Hauswart.«
    »Bin ich immer noch.«
    Hanna lehnte sich entspannt zurück. Eigentlich war er ein netter Kerl, auch wenn er zu viel redete.
    »Ich hab Sie schon lange nicht mehr in Ihrem Laden gesehen«, nahm der Fahrer die Unterhaltung wieder auf. »Ich dachte schon, Sie hätten sich getrennt. Zumindest hat sich das so angehört, als ich letztens Ihren Mann vom Flughafen abgeholt hab.«
    Hannas Oberkörper schoss vor. Mit beiden Händen ergriff sie die Kopfstütze des Fahrers.
    »Getrennt?«, sagte sie ungläubig. »Das hat mein Mann Ihnen erzählt?«
    »Nein.« Der Fahrer ließ das Lenkrad los und hob die Hände abwehrend in die Höhe. »Nicht erzählt. Ich dachte nur … wegen des Telefonats. Aber … dann habe ich mich wohl getäuscht.«
    »Allerdings!« Hanna schob ihr Ohr neben die Kopfstütze des Fahrers, um keines seiner Worte zu verpassen. »Was hat er denn gesagt?«
    »Ich weiß nicht mehr genau …«
    »Das glaube ich Ihnen nicht.« Hanna zog an der Kopfstütze. »Sie erinnern sich genau, sonst hätten Sie das eben nicht angesprochen.«
    Der Fahrer schwieg. Seine Hände hielten das Lenkrad fest umschlossen, sein Blick war starr auf die Straße gerichtet.
    Sie brachte ihren Kopf noch näher an seinen. »Jetzt reden Sie schon!«
    Er seufzte und schüttelte den Kopf, als wäre sie ein unartiges Schulmädchen. »Er hat gesagt, dass es ihm leidtäte und dass man manchmal einen Schlussstrich ziehen müsse oder so was.«
    »Und weiter?«
    »Nichts weiter. Das ist alles, woran ich mich erinnere.« Er wandte sich kurz zu ihr um, und sie sah, dass er die Wahrheit sagte. »Das mit dem Schlussstrich, das weiß ich noch ganz genau.«
    Hanna löste ihre Hände von den glatten Metallstangen und lehnte sich wieder zurück. Einen Schlussstrich ziehen. Mit wem konnte Steve einen Schlussstrich gezogen haben? Mit einem Lieferanten? Er war seit Lilous Geburt nur einmal am Flughafen gewesen, vor sechs Wochen etwa, als er nach Berlin zu einem Kunden geflogen war. Sie dachte an seinen zärtlichen Abschiedskuss und spürte, wie ihr Körper sich wieder
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