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Racheblut

Racheblut

Titel: Racheblut
Autoren: S Kernick
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umzudrehen und zurückzulaufen, aber da war er schon über ihr, umschlang sie mit seinen mächtigen Armen und setzte ihr das Messer an die Kehle. Er hob sie hoch und trug sie in die Küche, während ihre Beine hilflos über dem Boden zappelten.
    »Ah, ich sehe, du hast meinen anderen Sohn getroffen«, sagte Dora, als sie aus dem Wohnzimmer kam. Das freundliche Lächeln war endgültig aus ihren Augen gewichen und hatte einem bösartigen Funkeln Platz gemacht. »Aber vermassel es nicht wieder, Rory, halt sie gut fest. Sie ist eine kratzbürstige kleine Nutte.«
    »Die geht nirgendwo mehr hin, Ma«, grunzte Rory. »Jetzt nicht mehr.«
    Ash schrie auf, so laut, dass ihre Lunge brannte und ihre Kehle schmerzte, dort, wo die Messerspitze ihre Haut ritzte, bis es blutete. Sie hatte ihre letzte Chance zur Flucht verspielt.
    Dora, die drollige Dame mit der weißen Schürze, lachte nur und öffnete einen der Küchenschränke. Sie holte einen schmutzigen Lappen und eine Flasche mit einer dunklen Flüssigkeit heraus. Sie drehte den Kopf weg und goss mit weit von sich gestreckten Armen einen großzügigen Schluck davon auf den Stoff.
    »Schrei ruhig, meine Liebe, schrei, so laut du kannst«, sagte sie, als sie näherkam. »Hier draußen hören dich nur die wilden Tiere.«
    »Bitte«, keuchte Ash in einem letzten Versuch, ihr Leben zu retten. »Ich will doch bloß nach Hause.«
    Fast ein bisschen melancholisch schüttelte Dora den Kopf. »Tut mir leid, meine Liebe, aber daraus wird nichts.«
    Sie hob die Hand, drückte Ash den Lappen ins Gesicht, und die ganze Welt schien zu explodieren.

11
    Ash Murray träumte merkwürdige Träume. Manchmal erschien ihr das Gesicht ihrer Mutter, die auf sie herunterlächelte, doch dann verwandelte es sich in Doras Antlitz, und Dora zwang sie, eine Medizin einzunehmen, indem sie ihr die Nase zuhielt und dabei Kinderlieder summte, die Ash zurück in die unschuldigen, sonnigen Tage ihrer Kindheit versetzten …
    Sie schlug die Augen auf, und alles schien so hell, so furchtbar hell. Sie blinzelte heftig und drehte den Kopf weg. Jemand hatte etwas Enges und Juckendes um ihren Hals gelegt. Sie sah auf und erblickte ein Seil, das an einem der Querbalken unter der Decke befestigt war. Da dämmerte Ash, dass es sich um eine Henkersschlinge handelte. Ihr Kopf fühlte sich dumpf und schwer an, als hätte sie einen gewaltigen Kater, und ihr Mund war so trocken, dass sie nicht einmal schlucken konnte.
    Sie befand sich im Wohnzimmer der Lodge. Das Tageslicht ergoss sich durch die Fenster, und draußen hörte sie die Vögel zwitschern. Als sie Niks leblosen Körper am Fuß der Treppe liegen sah, musste sie nach Luft schnappen, eines seiner Beine hatte sich unter einer der Stufen verfangen und war in einem grotesken Winkel verdreht. Zum Glück lag sein Gesicht so, dass sie es nicht sehen konnte. Er trug immer noch die Wanderkleider, die er bei ihrem Ausflug getragen hatte, einem Ausflug, den sie – so kam es Ash vor – in einem anderen Leben unternommen hatten. Er hatte sogar die schwarze Fleecejacke an, die sie ihm vor zwei Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte, aber seine nackten Beine – früher eine seiner größten Zierden – waren jetzt von einer üblen gräulichen Farbe.
    Sie wollte seinen Namen flüstern und brachte nur ein froschhaftes Krächzen zustande. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie wollte ihn ein letztes Mal in den Arm nehmen, und wenn es das Letzte war, was sie tun würde. Doch als sie auf ihn zugehen wollte, sah sie nach unten und bemerkte, dass sie auf einem Stuhl stand. Wenn sie herunterstieg, würde sich das Seil spannen, und sie würde von der Decke baumeln.
    Mit zittrigen Fingern griff sie nach der Schlinge und suchte den Knoten.
    »Versuch’s erst gar nicht, meine Liebe, ich stehe direkt hinter dir und muss nur den Stuhl ein bisschen anstupsen, dann dreht’s dir die Gurgel ab, als wärst du ein schlachtreifes Hühnchen.«
    Ash erstarrte und fragte sich, wie furchtbar dieser Albtraum noch werden würde, da kam Dora um den Stuhl herum und baute sich vor ihr auf. Von ihrer Position auf dem Stuhl aus hätte sie der Frau mitten ins Gesicht treten können, dabei aber auch riskiert, das Gleichgewicht zu verlieren und herunterzufallen.
    Ash sah, dass Dora das genau wusste. Die alte Dame schenkte ihr ein überaus liebenswürdiges Lächeln, doch in ihren Augenwinkeln erkannte Ash das grausame Funkeln, das sie an einen Jungen denken ließ, der einem Maikäfer die Beine ausriss.
    »Was
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