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Racheblut

Racheblut

Titel: Racheblut
Autoren: S Kernick
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sich um, und da kamen die Hunde hechelnd zwischen den Bäumen herausgeschossen, mit gefletschten Zähnen jagten sie geradewegs auf sie zu. Ash hatte schon immer unter Höhenangst gelitten. Sie weigerte sich, Seilbahn zu fahren, und bereits die Vorstellung, zu Hause auf eine Leiter zu steigen, bereitete ihr Unbehagen. Doch angesichts der weit aufgerissenen Mäuler der Hunde, in denen weiße Hauer blitzten, und der Aussicht auf einen qualvollen Tod überwindet der Mensch auch seine furchtbarsten Ängste.
    Als der erste Hund sie ansprang, zögerte Ash nicht länger. Sie wandte sich um und sprang mit zugekniffenen Augen hinaus ins Ungewisse, schlug wild mit Beinen und Armen aus und fürchtete noch im Fallen, dass die Zähne der Bestie sich in ihr Fleisch vergraben würden; doch nichts passierte. Stattdessen stürzte sie einfach in die Tiefe, ein Sturz, der eine Ewigkeit zu dauern schien, während der ihr ganzes Leben an ihr vorbeiraste, die Kindergeburtstage, einsame Inseln, romantische Nächte mit Nik, ein wirres Kaleidoskop von Erinnerungen.
    Dann schlug sie mit einem heftigen Knall auf dem Wasser auf, und alles wurde schwarz.

9
    Langsam, ganz langsam öffnete sie die Augen.
    Ein paar Sekunden lang hatte sie keine Ahnung, wo sie war, nur eine vage Erinnerung an einen düsteren, brutalen Albtraum, in dem ihr geliebter Nik ermordet wurde. Dann hob sie den Kopf, der im modrig riechenden Schlamm gelegen hatte, und als sie die Schmerzen spürte, die ihren ganzen Körper einhüllten, erinnerte sie sich wieder an das, was geschehen war, und ihr Herz brach.
    Sie wischte sich Dreck aus den Augen und sah sich vorsichtig um. Sonnenlicht schien durch die Bäume, und sie musste blinzeln, um nicht geblendet zu werden. Aufgrund des flachen Winkels schätzte sie, dass es noch früher Morgen war. Stöhnend rollte sie sich auf den Rücken und fühlte, wie das Wasser ihren Körper umspielte. Sie lag am Ufer des dahinströmenden Flusses, am anderen Ufer erhob sich eine Klippe. Der Fluss musste sie lange mitgerissen haben, ehe er sie in diese kleine, schlammige Aue gespült hatte. Als sie sich langsam aufsetzte, erfasste sie ein heftiger Schwindel, zu dem sich unmittelbar darauf Schüttelfrost gesellte. Vermutlich befand sie sich in einem schlimmen Zustand, doch wenigstens war sie am Leben, allen Wahrscheinlichkeiten zum Trotz. Und irgendwie hatten der zweite Mann und seine Hunde sie auch nicht gefunden, obwohl sie über Stunden bewusstlos am Ufer gelegen hatte.
    Kalt und steif kam sie auf die Beine, entschlossen, nicht zusammenzuklappen und sich über das, was Nik zugestoßen war, nicht die Seele aus dem Leib zu weinen. Da wurde ihr wieder klar, dass sie auch einen von denen getötet hatte.
    Getötet. Sie.
    Das schon klang so fremd; aber dass Ash den Mann nicht nur umgebracht, sondern so lange auf ihn eingeschlagen hatte, bis sein Hirn ausgetreten war, schien ihr unbegreiflich.
    Sie, Ash, eine friedliebende Grundschullehrerin, die zuletzt mit dreizehn in eine Rauferei verwickelt gewesen war, damals, als sie sich in der Schlange beim Mittagessen mit Chloe Baxter wegen eines Jungen in die Wolle kriegte. Großer Gott. Am liebsten hätte sie sich übergeben.
    Doch sie wischte sich nur eine dicke, dreckverklebte Strähne aus dem Gesicht und stakste auf wackligen Beinen durch den Wald. Sie fragte sich, wie um alles in der Welt sie jemals irgendwem würde erklären können, was sich letzte Nacht zugetragen hatte, zumal sie immer noch nicht wusste, warum sie, Nik und die anderen ins Visier der Männer geraten waren. Doch immerhin schien jetzt die Sonne, und das dämpfte ihre Angst und hob ihre Stimmung.
    Der Wald dehnte sich verlassen vor ihr aus, nur Vogelgezwitscher war zu hören, ein erheblicher Kontrast zur vergangenen Nacht. Kein Hundegebell, keine Todesschreie befreundeter Menschen. Sie musste an Tracy denken. Die arme, verängstigte Tracy, gefangen in einer Fuchsfalle, dazu verurteilt, allein und verlassen zu sterben.
    »Es war nicht dein Fehler«, redete Ash sich ein. »Du hast getan, was du tun musstest.«
    Trotzdem fühlte sie sich nicht besser.
    Der Wald begann sich zu lichten, die Sonne strahlte heller, und Ash beschleunigte ihren Schritt. Bald würde sie sich ausruhen können, die Zivilisation konnte nicht mehr allzu weit entfernt sein. Noch eine letzte Anstrengung, dann hätte sie es geschafft.
    Plötzlich war der Wald zu Ende, und sie stand auf einer schmalen, mit Schlaglöchern übersäten Straße, hinter der sich ein wild
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