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Racheblut

Racheblut

Titel: Racheblut
Autoren: S Kernick
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dem Kopf wie ein Henker aus dem Geschichtsbuch, in dem Tara als Kind geblättert hatte. Er machte ihr Angst. Oh Gott, wie sehr er ihr Angst machte! Seine Arme und seine Hände waren kräftig, und sie konnte sich denken, wie er damit das Leben aus seinen Opfern quetschte.
    »Sei stark«, redete sie sich zu und wälzte sich auf dem Boden. Sie stellte sich sterbenskrank, und die ganze Zeit pochte ihr Herz vor Angst rasend in ihrer Brust.
    Er kam zu ihr herüber. Beugte sich herunter und sagte etwas, das sie nicht verstand. Betrachtete sie misstrauisch. Sie spürte den Ziegel an ihrem Steißbein, sie rollte sich herum, versteckte den Arm hinter dem Rücken und stöhnte lauter. Da war sie. Ihre Chance.
    Er packte sie an den Haaren und zog sie ein Stück hoch, sodass sie ihn anschauen musste. »Schlampe«, zischte er; das Wort kannte sie, denn die Männer im Bordell benutzten es ständig. Doch dann veränderte sich sein Blick. Die Übellaunigkeit wich purer Begierde, und sie spürte, wie er mit seinen behandschuhten Händen grob ihre Beine spreizte. Unter seiner Skimaske stieß er komische Laute aus.
    In diesem Moment packte sie den Ziegel, richtete sich abrupt auf und knallte ihn ihm an den Kopf.
    »Schlampe!«, brüllte er, und seine Stimme hallte von den Wänden wider. Er packte ihre Hand, die den Ziegel hielt, und riss sie schmerzhaft zurück. Seine Augen glühten vor Wut.
    Jetzt durfte sie nicht schwach werden, deshalb rammte sie ihm ihren Zeigefinger in sein linkes Auge und spürte, wie das weiche Gewebe nachgab.
    Dieses Mal schrie er vor Schmerz auf, versuchte seinen Kopf wegzudrehen und lockerte gleichzeitig den Griff um ihr Handgelenk.
    Sie riss ihren Arm los und kämpfte sich unter ihm hervor; als sie aufsprang, rasselte die Kette, die ihren Knöchel an die Wand fesselte, und zum zweiten Mal schlug sie ihm den Ziegel gegen den Kopf, während er noch vor Schmerz und Panik über das verwundete Auge schrie und taumelte.
    Der Ziegel barst in ein Dutzend Teile, und einen Augenblick lang fürchtete Tara, sie hätte versagt, doch dann grunzte der Mann, kippte zur Seite und blieb fast reglos liegen.
    Aufgeputscht kniete Tara neben ihm nieder, riss ihm den Schlüsselbund vom Gürtel und betete, dass einer der Schlüssel sie von ihrer Kette befreite.
    Mindestens ein Dutzend hingen an dem Bund, und der erste passte nicht, ebenso wenig der zweite.
    Ihr Bewacher kam langsam zu sich. Er stöhnte und bewegte einen Arm. Sie probierte den dritten Schlüssel, aber ihre Hände zitterten so stark, dass sie ihn kaum ins Loch führen konnte und wertvolle Zeit verlor. Auch der passte nicht. Er hatte inzwischen den Kopf gedreht und sah sie, die Hand auf das verletzte Auge gepresst, mit dem gesunden blinzelnd an.
    Los, komm jetzt, na, komm schon.
    Sie probierte den vierten Schlüssel. Wieder nichts.
    Der Mann griff mit der freien Hand hinter sich, und als er sie hervorschwang, verschlug es Tara den Atem: In der Faust hielt er ein riesiges Messer mit gezackter Klinge – zu Hause in Albanien benutzten Jäger so etwas, um Rotwild auszuweiden. Und er hievte sich langsam auf die Beine.
    Tara versuchte krampfhaft, nicht daran zu denken, dass sie in ein paar Sekunden tot sein konnte, zwang sich ruhig zu bleiben und probierte den nächsten Schlüssel.
    Diesmal machte es klick, und die Metallschelle, die sich, seit sie hier erwacht war, schmerzhaft um ihren Fußknöchel geklammert hatte, sprang im gleichen Moment auf, in dem ihr taumelnder Wärter mit dem Messer nach ihr stach.
    Sie sprang zurück und prallte gegen die Wand, und die Klinge kam ihrem Bauch so nahe, dass sie die Spitze beinahe spüren konnte.
    Doch endlich von der Kette befreit, verspürte sie eine neue Energie, und so nutzte sie es aus, dass ihr Angreifer noch immer auf den Knien war, sprang um ihn herum zur Zellentür, riss sie auf und rannte nach draußen in den schmalen, schwach erleuchteten Flur.
    Tara hatte keine Ahnung, wohin der sie führte, doch sie erkannte, dass sie sich in einer Art Kellergewölbe befand. Boden und Wände bestanden aus denselben kalten Steinen wie ihre Zelle, eine unter der Decke baumelnde Glühbirne verbreitete ein fahles Licht. Rechts von ihr gab es eine Treppe, auf die sie mit ihren geschwächten Beinen zulief. Der nackte Schrecken und der Wille zu überleben trieben sie an. Sie passierte die anderen Zellentüren und fragte sich einen Moment lang, wie viele Mädchen an diesem furchtbaren Ort festgehalten wurden, dann erreichte sie die Treppe und
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