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Racheblut

Racheblut

Titel: Racheblut
Autoren: S Kernick
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Sie hatten damit nichts zu tun. Und so war sie wieder auf sich allein gestellt.
    Ein zunehmender Mond stand am Himmel und warf einen fahlen Lichtschein zwischen die Bäume. Doch Tara wollte kein Licht. Sie suchte die Dunkelheit. Die Dunkelheit würde sie verbergen. Sie sah sich um. Das Wäldchen schien verlassen zu sein, und instinktiv verlangsamte sie ihren Schritt ein wenig, da auch das Unterholz dichter wurde. Zum ersten Mal verspürte sie so etwas wie Erleichterung.
    Sie schaute wieder über die Schulter, niemand folgte ihr, deshalb richtete sie den Blick wieder nach vorn.
    Und rannte direkt in das Messer.
    Sie keuchte, als die Klinge in ihren Bauch eindrang und ihn aufschlitzte wie eine reife Orange. Von einer Sekunde zur anderen wich alle Kraft, die sie noch hatte, aus ihr.
    Der Angreifer stand über ihr wie eine unbewegliche schwarze Wand. Hinter der Skimaske konnte sie seine dunklen kalten Augen erkennen. Er zog die Klinge heraus und stieß erneut zu. Aufwärts zum Herzen gerichtet diesmal, und seine behandschuhte Hand klammerte sich um ihre Kehle und hielt Tara fest, während sie starb.

4
    Eine gute Minute lang sagte keiner der vier ein Wort. Nik hatte die Tür abgeschlossen und hielt den Schlüssel in der Hand. Im Hintergrund nervte der Fernseher mit dem Gefasel einer Realityshow.
    Tracy brach schließlich das Schweigen. »Schaut mal, ich wollte nicht, dass sie so einfach abhaut … Ich weiß nicht, was man da machen soll. Solche Dramen bin ich nicht gewohnt.«
    »Keiner von uns ist das, Tracy«, erwiderte Nik. »Ich bin bloß ein verdammter Anwalt, genau wie Guy. Aber wir müssen irgendwie damit umgehen.«
    »Es könnte ebenso gut sie gewesen sein, die unsere Reifen aufgeschlitzt hat«, meinte Guy.
    »Stell dich doch nicht dümmer, als du bist, Guy«, herrschte Ash ihn an, die langsam die Geduld verlor. »Warum um alles in der Welt sollte sie das tun?«
    »Keine Ahnung. Ich habe ja auch keine Ahnung, was hier überhaupt vor sich geht.«
    Womit er, wie Ash zugeben musste, recht hatte. Was als erholsamer, tendenziell langweiliger Wochenendausflug begonnen hatte, hatte sich in einen Albtraum verwandelt. Ohne Vorwarnung. Einfach so. Ash war vor Jahren schon einmal überfallen und ausgeraubt worden, als sie spätnachts mit dem Taxi nach Hause gekommen war. Während der paar Schritte zu ihrer Haustür hatte sich aus der Dunkelheit hinter einer Säule ein Mann auf sie gestürzt und sie brutal ins Gesicht geschlagen. Sie hatte keinen Schmerz gespürt. Nur einen schweren, umfassenden Schock. Sie war rückwärts gestolpert, hatte sich mit der Hand an die blutende Nase gefasst und war unfähig gewesen zu reagieren, als der Mann ihr die Handtasche von der Schulter riss und davonrannte.
    Das Ganze hatte nur wenige Sekunden gedauert, doch Ash würde nie den Schock vergessen. Die Gewalt der Londoner Unterwelt, über die sie so viel gelesen hatte, war plötzlich in ihre eigene lauschige Welt eingefallen. Diesen stumpfen, betäubenden Schock spürte sie auch nun wieder, zwar nicht dermaßen heftig wie damals, aber sie konnte nachvollziehen, warum Guy und Tracy so verstört auf die Ereignisse reagierten.
    »Jetzt, wo sie weg ist, lässt uns der, der unsere Reifen aufgeschlitzt hat, vielleicht in Ruhe«, seufzte Tracy, und das aufkeimende Mitgefühl, das Ash für sie empfunden hatte, verebbte sofort wieder.
    »Himmel, du hast wirklich kein bisschen Mitleid mit dem armen Mädchen.«
    Nik hob die Hand. »Lass gut sein, Ash.«
    »Wie könnte ich. Dieses Mädchen wurde wahrscheinlich vergewaltigt und irrt nun allein durch die Wälder, und diese beiden sind offenbar auch noch froh darüber.«
    »Niemand ist froh darüber!«, brüllte Guy. »Aber was sollen wir deiner Ansicht nach machen? Das Telefon ist tot, die Handys haben keinen Empfang, der Wagen ist platt, und das Mädchen ist schließlich aus eigenem Antrieb weggerannt. Mit Tracys Kleidern übrigens.«
    Ash seufzte, die Diskussion würde nirgendwohin führen. »Es wäre nur schön, wenn ihr etwas Mitgefühl zeigen könntet.«
    »In Ordnung, Leute«, mischte sich Nik entschlossen ein und fixierte sie der Reihe nach mit seinem Anwaltsblick. »Ich schlage folgenden Plan vor. Wir sehen zu, dass das Haus sicher ist, und warten die Nacht über ab. Das heißt, wir müssen alle Fenster und Türen verriegeln, damit wir keinen ungebetenen Besuch bekommen. Sobald es hell wird, gehen wir zur Hauptstraße oder irgendwohin, wo wir Empfang haben. Natürlich werden wir auch anzeigen, was
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