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Racheblut

Racheblut

Titel: Racheblut
Autoren: S Kernick
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Schmutzschlieren war ihr Gesicht aufgedunsen und an mehreren Stellen dunkel unterlaufen, auf ihren Wangen und der Stirn hatte sie zahlreiche blutige Striemen. Ein Auge war blaurot zugeschwollen, und ihr dichtes rotblondes Haar, normalerweise einer ihrer hervorstechenden Reize, hätte zu einer windgebeutelten Vogelscheuche gepasst. Doch am meisten entsetzte sie der gejagte, verängstigte Blick, der ihr dumpf entgegenstarrte. Gut zehn Sekunden lang schaute sie ihr Spiegelbild an und war unfähig zu begreifen, welch furchtbare Veränderung mit ihr vorgegangen war.
    Und doch hatte die alte Dame, nachdem Ash wie eine Todesfee in ihrem Garten erschienen war, statt heillos die Flucht zu ergreifen, die Freundlichkeit besessen, sie hereinzubitten und zu umsorgen. Ash schämte sich, dass sie ihr unterstellt hatte, sie führe Böses im Schilde.
    Aber nur, bis sie sich umdrehte und auf dem Boden etwas liegen sah, das gerade so hinter der Kloschüssel hervorlugte. Sie musste die Hand vor den Mund legen, um einen Aufschrei zu unterdrücken.

10
    Ash bückte sich und hob vorsichtig das blutgetränkte Stoffknäuel auf und strich mit den Fingerspitzen darüber. Das Blut war trocken, aber an der Färbung erkannte sie, dass es noch nicht sehr lange trocken sein konnte. Was hatte es hier zu suchen?
    Sie schob das Knäuel wieder hinter die Schüssel, dabei streifte ihre Hand etwas anderes. Es fühlte sich an wie ein Bilderrahmen. Sie zog ihn heraus und betrachtete das verblichene Foto hinter der Glasscheibe.
    Es war vor diesem Cottage aufgenommen worden. Dora stand in der Mitte, sie trug ein blumengemustertes Kleid und strahlte. Sie sah gut zehn Jahre jünger aus. Links und rechts neben ihr standen zwei verkniffen dreinschauende Jungs mit blassen, von Sommersprossen übersäten Gesichtern und feuerroten Haaren. Der eine mochte drei oder vier Jahre älter sein, aber es handelte sich eindeutig um Brüder.
    Und ebenso eindeutig hatte Ash den Jüngeren heute Nacht getötet.
    Sie schluckte, kniff die Augen zusammen und starrte entgeistert das Foto an. Es mochte vor langer Zeit aufgenommen worden sein, und Ash war krank und erschöpft, aber sie war sich absolut sicher, dass er es war. Dieses Gesicht vergaß man nicht so leicht.
    Sie legte das Foto dorthin zurück, wo sie es gefunden hatte, und erhob sich. Sie dachte nicht länger daran, dass sie dringend gemusst hatte, sie wollte nur noch raus. Niks Mörder war Doras Sohn, und sie hätte ihr Leben darauf verwettet, dass der andere Mann, der, der auf sie geschossen hatte, der ältere Sohn war. Wohnten sie alle hier? Wenn ja, dann würde das das blutige Stoffknäuel erklären wie auch die Tatsache, dass jemand das Foto von der Wand genommen und hinter dem Klo versteckt hatte, damit sie es nicht sah. Der Ältere würde wissen, dass Ash das Gesicht seines Bruders kannte, da die Maske fehlte, und würde, für den Fall, dass Ash hier aufkreuzte, deshalb nichts Verräterisches an der Wand hängen haben wollen.
    Was höchstwahrscheinlich bedeutete, dass Dora ebenfalls dazugehörte.
    Doch warum sollte sich eine ältere Frau auf die Entführung eines ausländischen jungen Mädchens einlassen? Sosehr sie auch nachgrübelte, Ash fand keine Erklärung dafür.
    Aber das spielte jetzt keine Rolle. Jetzt kam es nur noch darauf an, möglichst schnell zu verschwinden.
    Sie zog die Spülung, öffnete vorsichtig die Tür und schlüpfte in den Flur. Aus der Küche hörte sie Dora so munter vor sich hin trällern, dass Ash eine Gänsehaut bekam. Solch eine fröhliche Weise konnte einfach nicht von einer Frau stammen, die zwei Psychopathen zur Welt gebracht hatte, die sie wie ein wildes Tier gejagt und ihren Mann und ihre Freunde wie Schlachtvieh abgestochen hatten. Durch die Wohnzimmertür konnte sie das Telefon in der Ecke erkennen und fragte sich, wen Dora wohl angerufen hatte, denn die Polizei war es sicher nicht gewesen.
    Obwohl ihr das Herz bis zur Kehle schlug, schlich Ash hinüber und nahm den Hörer ab. Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte sie sich, dass Dora anderweitig beschäftigt war, und drückte die Wahlwiederholung.
    Der Anruf landete direkt im Ansagemodus eines Handyproviders.
    Nicht bei der Polizei.
    Ash rang nach Atem, legte auf und ging leise zur Haustür. Sobald sie draußen wäre, würde sie losrennen, zurück in den Wald und versuchen, ein anderes Haus zu finden. Irgendjemand musste hier noch wohnen, der nicht in diesen Horror verwickelt war.
    Sie versuchte, den Knauf zu drehen,
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