Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Racheakt

Racheakt

Titel: Racheakt
Autoren: F Steinhauer
Vom Netzwerk:
sich ein breites Lächeln über sein Gesicht.
    »Das werden wir ihn gleich wissen lassen. Er wird sicher sehr erleichtert sein. Die ganze Familie war in tiefer Sorge. Na, dann ist ja alles in Ordnung.«
    Skorubski nahm einen Zettel und Michael Wiener sah ihm beim Schreiben über die Schulter.
    »Jule ist stabil. Sie wird wohl erstmal ziemlich lange schlafen. Emile Couvier sitzt an ihrem Bett und wird sich melden, wenn sie aufwacht.«
    Wiener seufzte erleichtert auf. »Da wird er aber froh sein. Er hot ja im Grund nur sich die Schuld gebe – un als er g’merkt hot wer der Täter war isch’s no schlimmer wore, weil er mit dieser Frau esse war und nichts von ihrem finschtere Ich g’merkt hot.«
     
    »Und das zweite Opfer?«
    »Die hat den Männern gleich scharenweise den Kopf verdreht. Einige hätten sofort Frau und Kinder verlassen, hätte sie nur ein Wort zu ihnen gesagt. Sie wusste um ihre Macht und spielte sie gnadenlos aus. Keine Frau hatte gegen sie eine Chance. Jede andere wurde neben ihr zur grauen Maus erniedrigt. Sie hat sich jeden genommen, auf den sie Lust hatte, diese Eva, die Männer ins Verderben reißen wollte. Da hatte sie als Hostess ja jede Menge Auswahl. Genauso wie die andere. Die hat es auch mit diesen verblödeten Männern getrieben, die sich einsam fühlten, nur weil sie mal eine Nacht ohne Frau in einer fremden Stadt waren. Sie hat das schamlos ausgenutzt.«
    »Sie haben die Mädchen getötet, weil sie, wie Eva, Männer verführen konnten.«
    Ihre Fassade begann zu bröckeln. Sie wurde vulgär.
    »Verführen! Manipulieren! Was will man denn von Typen erwarten, deren Hirn in die Eier rutscht, sobald sie eine schöne Frau sehen?«
    »Hätten Sie nicht eher die Männer bestrafen müssen? Schließlich sind sie es, die schöne Frauen bewundern und mit ihnen schlafen wollen.«
    »Da hätte ich nie hoffen können, dass jemand meine Mission versteht! Es ist seit vielen Jahrhunderten Brauch, den dummen Männern all ihre Sünden zu verzeihen! Ich denke da eher wie die Hexenjäger: Die Frauen verführen und die Männer sind zu schwach, weil die Gesellschaft bereit ist, ihre Schwäche zu tolerieren. Ein Mann der fremdgeht ist kein Problem, es wird ihm verziehen. Eine Frau, die sich Männer hält, ist eine Hure. Es gilt, den Menschen die Augen für die wahren Huren zu öffnen und ihr zerstörerisches Werk zu beenden. Was glauben Sie denn, da draußen laufen Millionen braver Frauen herum, die gerne für eine Familie sorgen würden, die gerne eine Job hätten, die gerne etwas leisten würden – sie alle gehen leer aus, weil die Gesellschaft nur noch auf die schöne Fratze glotzt und so nur noch diese »schönen« Frauen zum Zug kommen. Das muss sich ändern! Und die Frauen haben es in der Hand! Sie erziehen die Kinder! Sie müssen endlich die inneren Werte wieder im Bewusstsein verankern! – Und wozu, glauben Sie, würden solch kleine Huren ihre Kinder anleiten? Sie würden die Spirale einfach weiterdrehen!«, geiferte sie und Nachtigall starrte sie an, unfähig etwas zu erwidern.

51
    Drei weiße Umschläge lagen auf dem rohen Holztisch.
    Das war alles, was sie den Lebenden hinterlassen hatte, um ihnen das Unfassbare zu erklären. Sie selbst würde dafür nicht weiter zur Verfügung stehen.
     
    Nachtigall hatte das Gefühl in einem dicken, wattigen Nebel zu stecken. Wieso hatte er nur nie etwas bemerkt? Sie hatten zusammen gegessen, getrunken, geredet, gelacht – und er hatte nichts von ihrer finsteren Seite gespürt. Niemals war ihm der Gedanke gekommen, diese Frau könnte eine brutale Mörderin sein – schlimmer noch – irgendeine Frau könne solche Morde begehen. Dabei war ihm ihr athletischer Körperbau aufgefallen – nur sein Mangel an Fantasie hielt ihn davon ab das Unfassbare zu denken.
    Mein Gott, es hatte nicht einmal eine persönliche Beziehung zwischen der Täterin und ihren Opfern gegeben. Sie hatte die jungen Frauen aus abstrakten Gründen getötet und verstümmelt. Nachtigall schüttelte den Kopf.
     
    Der Erkennungsdienst durchstöberte ihr Haus in Burg bis in den letzten Winkel und förderte nicht nur die Zehen und die Äpfel zutage, sondern fand auch den Stein, an dem noch Blut und Haare des letzten Opfers klebten. Das Schweizer Taschenmesser, mit dem sie den Polizisten verletzt hatte, entsprach – nach einem Vergleich der Zahnung – der Tatwaffe in allen drei Mordfällen. Er konnte sich den Tatsachen nicht länger verschließen: Frau Dr. Helge Jung hatte all diese schrecklichen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher