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Racheakt

Racheakt

Titel: Racheakt
Autoren: F Steinhauer
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Morde begangen!
    Und Jule sollte auch sterben! Es war Teil des Spiels! Würde er gewinnen, fände er sie noch lebend, käme sie davon, musste Jule sterben.
    Gott sei Dank habe ich gewonnen, dachte Nachtigall, nur gut. Jule sollte bald entlassen werden, und hatte darauf bestanden den Kater bei sich aufzunehmen. Er war ihr immerhin ein Trost gewesen in der Einsamkeit dieses schrecklichen Kellers. Seine Einwände ließ sie nicht gelten. Der Kater konnte schließlich nichts dafür, dass seine ehemalige Besitzerin eine Mörderin war.
    Dennoch war Peter Nachtigall deprimiert.
    Vielleicht noch der Schock, es würde sich wieder geben. Oder lag es daran, dass er seine Grenzen erfahren hatte? Ihm waren vermeidbare Fehler unterlaufen, die seine Tochter beinahe das Leben gekostet hatten. Und er hatte sich in eine kaltblütige Mörderin verliebt! Konnte er sich auf seinen kriminalistischen Spürsinn überhaupt noch verlassen?
     
    Das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte. Dumpf nahm er es wahr, zu träge sich zu melden. Auch die Stimme Albrecht Skorubskis schien von weit herzukommen – er verstand nicht, was er sagte.
    Hände legten sich auf seine Schultern und schüttelten seinen Körper – er hatte keine Ahnung, wem sie gehörten.
    Augen fingen seine ein, hielten sie fest und er hörte deutlich den Satz:
    »Frau Dr. Jung hat sich umgebracht! Wir müssen rüberfahren!«
    Langsam tröpfelte die Bedeutung dieser Worte in sein Denken.
    Er stand wie betäubt auf.
     
    »Wie war das nur möglich? Wurde ihr nicht alles Gefährliche abgenommen? Sie war doch unter Beobachtung gestellt«, hörte er sich wenig später auf dem kahlen Gang poltern.
    Sie lag auf dem Rücken auf der Matratze. Blut hatte eine große Lache auf dem Zellenboden gebildet. Es spiegelte kein Leben mehr, war schon geronnen und eingetrocknet.
    »Sie muss die schmale Klinge neben dem Bügel in ihrem BH versteckt gehabt haben. Heute Nacht hat sie die dann wohl rausgezogen und dann – tja – oder so ähnlich«, den Mann traf keine Schuld. Keiner hatte ahnen können, dass sie so gut vorbereitet war.
    »Dr. Pankratz?«
    »Kommt morgen. Da liegen drei Briefe.«
    »Ja, ich seh’s.«
    »Einer ist für Sie, Herr Nachtigall.«
     
    Das war nun schon mehr als fünf Stunden her und zwei der Briefe lagen ausgebreitet auf seinem Schreibtisch. Eine einfache, kurze Entschuldigung an Günter Grabert. Sie schrieb, sie hoffe, er könne an seinen Lebensfaden dort wieder anknoten, wo sie ihn durch ihr Handeln abgeschnitten hatte.
    Ein ruhiges und unemotionales Mordgeständnis an ihn selbst. Mit genauen Angaben zu den Orten des Zusammentreffens mit dem jeweiligen Opfer und ihre Vorgehensweise. Sie beschrieb genau, wie sie die Schnitte gesetzt hatte, in welcher Reihenfolge sie vorgegangen war. Sie wollte auch den geringsten Zweifel daran ausräumen, dass sie diese Morde begangen hatte. Schritt für Schritt, Schnitt für Schnitt. Unfassbar. Schrecklich.
     
    Den Brief an Prof. Marburg stellte er persönlich zu.
    »Tja – tragisch. Aber irgendwie kommt mir das Wort nicht gewaltig genug vor, für diese unglaubliche Angelegenheit!«
    Sie saßen im Wintergarten der geräumigen Villa und Peter Nachtigall hatte das Gefühl in eine andere Zeit katapultiert worden zu sein. Alles, aber auch wirklich alles machte den Eindruck antik und antiquarisch zu sein. Keine moderne Kunst, kein Fernseher, keine Stereoanlage – dafür warmes Licht hinter Tiffanyschirmen, Rattanmöbel, alte, ledergebundene Bücher, schwere Vorhänge, tiefe Teppiche und schnurrende Katzen.
    Sollte es irgendwo in diesem Haus moderne Kommunikationsmedien geben, so war das jedenfalls nicht hier.
    Prof. Marburg schenkte kräftigen Schwarztee ein und reichte dem späten Gast eine Tasse.
    »Ich denke die ganze Zeit, dass ich doch etwas hätte bemerken müssen! Wir waren gemeinsam essen, wir haben uns angeregt unterhalten – und auffällig war nur ihre faszinierende Art.«
    »Ja, aber das geht uns doch mit den meisten Menschen so! Wir lassen uns von ihren Worten und ihrem Habitus blenden – dass sie finstere Gedanken haben, kommt uns gar nicht in den Sinn! Und wenn es so wäre, wie würde denn dann unser Miteinander aussehen? Misstrauen und Unsicherheit würde unser Leben bestimmen. Das wollen wir doch auch nicht. Besonders schlimm wird es natürlich, wenn wir unser Gegenüber schätzen. Dann »überhören« wir einfach alles, was nicht in unser Bild passt.«
    »Sie meinen, wir nehmen uns dann selbst die Chance eine
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