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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)
Autoren: Reginald Hill
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die Kapelle einen weitläufigen Garten, der gepflegt werden muss, und von Zeit zu Zeit käme uns da ein flinker Holzfäller sehr gelegen. Ich will sehen, was ich tun kann.«
    Der Junge und die Frau wechseln Blicke und lächeln einander an.
    Und der Mann, JC, beobachtet sie und setzt ebenfalls ein wohlwollendes Lächeln auf.

3
    Winter 1991: Terry Waite kommt nach drei Jahren Geiselhaft frei; 264 Kroaten werden Opfer eines Massakers in Vukovar; Freddy Mercury stirbt an Aids; Michael Jackson landet mit seinem Album Dangerous auf Platz eins; die Sowjetunion löst sich auf; Gorbatschow tritt zurück.
    Und in einer stillen Seitenstraße im 20. Pariser Arrondissement sitzt ein Mann mit einem seligen Lächeln entspannt auf der bequemen Rückbank eines Citroën CX. Durch den treibenden Nebel über den Bäumen auf der anderen Seite eines kleines Parks kann er noch so eben die obersten drei Stockwerke eine sechsstöckigen Wohnhauses sehen. Er meint, einen Schatten wahrzunehmen, der sich flink an der Seite des Gebäudes herabbewegt, aber er ist rasch verschwunden, und außerdem weiß er seit Langem, wie sehr die Wahrnehmung in einer solchen Nacht trügen kann. Er widmet seine Aufmerksamkeit wieder Quintus Curtius’ Schilderung der Eroberung von Tyros und ist bald so darin versunken, dass er wenige Minuten später überrascht ist, als die Wagentür aufgeht und der Junge hereinschlüpft.
    »Oh, hallo«, sagt er und schließt das Buch. »Alles in Ordnung?«
    »Kinderspiel«, sagt der Junge. »Aber ich hab kalte Finger gekriegt.«
    »Du solltest Handschuhe tragen«, sagt der Mann und reicht ihm eine Thermosflasche.
    »Mit Handschuhen hab ich kein so gutes Gefühl für die Wand«, erwidert der Junge und trinkt direkt aus der Flasche.
    Der Mann betrachtet ihn liebevoll und sagt: »Du bist ein braver kleiner Holzfäller.«
    Vorne im Wagen klingelt ein Telefon. Der Fahrer nimmt den Anruf entgegen, spricht Französisch. Nach einer Weile dreht er sich um und sagt: »Er ist jetzt unterwegs, JC. Aber wir haben ein Problem. Er ist noch am Gare de l’Est vorbeigefahren. Hat eine Frau und ein Kind abgeholt. Wir vermuten, seine Frau und Tochter. Die beiden sind jetzt mit ihm im Wagen.«
    Ohne seine Miene oder den Tonfall zu verändern, sagt der Mann sanft: » Parle Français, idiot! «
    Aber seine Warnung kommt zu spät.
    Der Junge sagt: »Wieso Frau und Tochter? Du hast gesagt, er wohnt allein.«
    »Tut er auch«, versichert der Mann. »Wie du bestimmt bemerkt hast, ist die Wohnung sehr klein. Außerdem hat er sich mit seiner Familie zerstritten. Falls es sich tatsächlich um seine Frau und Tochter handelt, und das steht nicht unbedingt fest, bringt er sie höchstwahrscheinlich nur zu einem Hotel. Möchtest du etwas essen? Ich habe Schokolade hier.«
    Der Junge schüttelt den Kopf und trinkt wieder einen Schluck aus der Thermosflasche. Sein Gesicht wirkt besorgt.
    Der Mann sagt leise: »Er ist ein sehr böser Mensch, ich meine, er ist in sich böse und noch dazu ein gefährlicher Feind unseres Landes.«
    Der Junge sagt: »Jaja, ich weiß, das hast du mir erklärt. Aber das heißt ja nicht, dass seine Frau und seine Tochter böse sind, oder?«
    »Natürlich nicht. Und wir tun alles in unserer Macht Stehende, um keine Unschuldigen zu gefährden. Auch das hab ich dir doch erklärt, nicht wahr?«
    »Ja«, bestätigt der Junge.
    »Siehst du.«
    Sie sitzen beide eine Weile schweigend da. Das Telefon klingelt erneut.
    Der Fahrer nimmt den Hörer, lauscht kurz, wendet den Kopf und sagt: » Ils sont arrivés. La femme et l’enfant aussi. Il demande, que voudriez-vous? »
    Der Mann sagt: « Dites-lui, vas-y. «
    Der Junge runzelt die Stirn, als könnte er durch schiere Konzentration verstehen, was da gesagt wird. Auf der anderen Seite des Parks verzieht sich der Nebel über den Bäumen für einen Moment, und die Silhouette des Wohnhauses zeichnet sich vor dem hellen Sternenhimmel ab.
    In einem der obersten Zimmer flammt Licht auf. Zuerst sieht es aus wie ein ganz normales Licht, bernsteinfarben hinter einem gardinenlosen Fenster.
    Und dann wird es rot. Die Entfernung ist zu groß, als dass irgendein Geräusch in das gut isolierte Wageninnere dringen könnte, aber im selben Moment sehen sie, wie die Fensterscheibe sich auflöst und Rauch und Trümmerteile auf sie zukommen, wie die Finger einer Hand, die sich nach ihnen reckt.
    Dann verdichtet sich der Nebel wieder, und der Mann sagt: »Fahren wir.«
    Zurück in ihrer Wohnung, geht der Junge in sein
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