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Rache an Johnny Fry

Rache an Johnny Fry

Titel: Rache an Johnny Fry
Autoren: Walter Mosley
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damit in den Ohren, sie solle das Marketing für sein noch nicht produziertes Album übernehmen.
    »Ich habe ihm meine Karte gegeben, damit er mich endlich in Ruhe lässt«, sagte sie mir, nachdem er abgezogen war, um jemand anderen zu nerven.
    Hatte es da angefangen? Ich erinnerte mich, dass sie Kopfschmerzen bekommen hatte und allein nach Hause fahren wollte. Wie lange war das jetzt her? Sechs Monate, länger nicht. Hatte er ihr in jener ersten Nacht schon rote Kondome und Gleitmittel gebracht?
    Ich schlug mit der Faust gegen eine Hauswand, was absolut nicht zu mir passte. Eine ältere Frau mit einem Boxer, der so groß war, dass sie ihn kaum bändigen konnte, lief an mir vorbei und sagte: »Oje.«
    Der Hund bellte mich an, aber die Schmerzen in meiner Hand waren lauter. Ich fasste meine Faust und ging in die Knie, während die ältere Frau, die ein preiselbeerfarbenes Hauskleid trug, an ihrem Hund zerrte.
    »Axel! Hör auf!«, rief sie. »Bei Fuß! Axel!«
    Endlich stand ich wieder auf und nahm die letzten beiden Blocks nach Hause im Laufschritt. Dort angekommen, lehnte ich mich an die Wand neben der Tür und konzentrierte mich die nächsten fünf Minuten darauf, meine verletzte Hand Zentimeter um Zentimeter zu öffnen. Mittel-, Zeige- und Ringfinger begannen anzuschwellen, und der Schmerz strahlte bis in den Unterarm. Als die Hand schließlich geöffnet war, hatte ich Angst, sie wieder zu schließen. Aber ich tat es. Nach zehn Minuten hatte ich meine Hand dreimal geschlossen und wieder geöffnet.
    Gebrochen war nichts, da war ich mir ziemlich sicher, aber eine Zeit lang würde die Hand nicht zu gebrauchen sein.
    Ich lachte über mich selbst, als ich mit der Linken den Schlüssel aus der rechten Hosentasche zu fischen versuchte. Endlich hatte ich ihn und mühte mich, ihn ins Schloss zu bekommen, da ging die Tür plötzlich von selbst auf.
    Es war Sasha Bennett, die etwas über dreißig Jahre alte Jurastudentin aus dem fünften Stock.
    »Hi, Cordell«, sagte sie und lächelte komisch. »Was ist denn mit dir?«
    »Ich bin gestolpert«, sagte ich. »Irgendwie habe ich mich mit der geballten Faust abzufangen versucht, frag nicht, warum, und jetzt bekomme ich nicht mal mehr die Tür auf.«
    Ich lachte. Mein Grinsen glich womöglich dem finsteren Starren eines Wahnsinnigen.
    »Ich helfe dir«, sagte sie und nahm meine Aktentasche.
    Sasha hatte sehr breite Wangenknochen, und ihre mandelförmigen Augen waren noch dunkler als braun. Sashas Vater war dunkelhäutig und asiatisch. Ihre Mutter kam aus Indiana. Wir hatten ein paarmal zusammen Kaffee getrunken. Einmal hatte sie mich eingeladen, mit ihr und ein paar Freunden in ein Wochenendhaus auf Fire Island zu fahren, aber ich sagte ihr, dass meine Freundin das nicht verstehen würde.
    Ich folgte ihr die schmale Treppe hinauf. Sie trug eine enge graue Baumwollhose und eine gelbe Bluse. Trotz der Schmerzen bewunderte ich ihren herrlich wiegenden Gang.
    Die Wände, die eiserne Treppe, die Decke, alles war grau gestrichen. Das Klackern unserer Schuhe auf den Metallstufen hallte in meiner Hand wider.
    »Gib mir den Schlüssel«, sagte sie, als wir vor meiner Tür im dritten Stock standen.
    Unser Haus war einmal das Bürogebäude eines Lebensmittelgroßhändlers gewesen. Das Lagerhaus stand gegenüber und wurde ebenfalls längst für andere Zwecke genutzt. Unser Haus war groß und schmal und hatte auf jeder Etage nur Platz für eine Wohnung.
    Ich gab ihr mein Schlüsselbund und sagte: »Der mit dem blauen Rand ist für das untere Schloss, der rote für oben.«
    »Was ist mit dem mittleren?«, fragte sie.
    »Das schließe ich nie ab.«
    Aus irgendeinem Grund musste sie darüber lächeln, dann lachen.
    Nachdem sie aufgeschlossen hatte, stemmte sie sich gegen die Tür, aber die gab nicht nach.
    »Das Ding klemmt«, sagte ich und wand mich vor Schmerz. »Du musst kräftig drücken.«
    Grunzend stieß sie mit der Schulter gegen die Tür, die sich daraufhin mit einem schrillen Quietschen öffnete. Dieses Quietschen würde mich von diesem Tag an immer an Joelle und Johnny erinnern.
    Sasha legte meine Aktentasche auf den kleinen Nussbaumtisch in meiner winzigen Diele. Ich schob mich an ihr vorbei, um die Vorhänge vor den Fenstern aufzuziehen. Das Tolle an meiner Wohnung ist das Licht. Vom Wohnzimmer aus kann ich westwärts auf den Hudson hinaussehen, während mein Schlafzimmerfenster nach Osten geht. Ich habe morgens und abends Sonne, kann sie aufgehen und wieder untergehen
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