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Geheimnis der Liebe: Roman (German Edition)

Geheimnis der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Geheimnis der Liebe: Roman (German Edition)
Autoren: Teresa Medeiros
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1
England, 1806
     
Meine liebe Miss March,
ich hoffe, Sie verzeihen mir, wenn ich so anmaßend
bin, auf diese eher ungewöhnliche Art und Weise an
    Sie heranzutreten …
     
    »Sagen Sie bitte, Miss Wickersham, haben Sie denn Erfahrung?«
    Von irgendwoher in dem weitläufigen Herrenhaus im jakobinischen Stil ertönte ein gewaltiges Gepolter. Obwohl der würdevolle Butler, der das Vorstellungsgespräch führte, sichtlich zusammenzuckte und die steif am Teetisch stehende Haushälterin hörbar quiekte, weigerte sich Samantha, auch nur mit der Wimper zu zucken.
    Stattdessen zog sie ein ordentliches Bündel Papiere aus der Seitentasche ihres abgestoßenen Lederkoffers, der ihr zu Füßen stand, und reichte sie dem Butler. »Sie werden sicherlich feststellen, dass an meinen Empfehlungsschreiben nichts auszusetzen ist, Mr. Beckwith.«
    Obwohl es Mittag war, gab es in dem bescheidenen Empfangssalon nur wenig Licht. Einige Sonnenstrahlen fielen durch den Spalt zwischen den schweren Samtvorhängen und malten einen schmalen Streifen auf das satte Rubinrot des Perserteppichs. Die verstreut auf den diversen Tischchen brennenden Wachskerzen füllten die Zimmerecken mit flackernden Schatten. Der Raum roch modrig und abgestanden, als wäre er seit Jahren nicht ordentlich gelüftet worden. Hätten nicht schwarze Tücher über den Spiegeln und vor den Fenstern gefehlt, hätte Samantha geschworen, ein von allen geliebtes Mitglied des Haushalts sei kürzlich verstorben.
    Der Butler nahm die Papiere aus ihrer weiß behandschuhten Hand entgegen und faltete sie auf. Als die Haushälterin ihren langen Hals reckte, um ihm über die Schulter zu spähen, konnte Samantha nur beten, dass das schwache Licht sich zu ihrem Vorteil auswirken und die beiden davon abhalten würde, die schwungvollen Unterschriften allzu genau zu studieren. Mrs. Philpot war eine hübsche Frau unbestimmbaren Alters, so schmal und dünn, wie der Butler rundlich war. Trotz ihres faltenlosen Gesichts wies der schwarze Haarknoten in ihrem Nacken einen Hauch von Silber auf.
    »Wie Sie sehen, war ich zwei Jahre als Gouvernante für Lord und Lady Carstairs tätig«, unterrichtete Samantha Mr. Beckwith, während er die Papiere flüchtig durchblätterte. »Als der Krieg wieder begann, habe ich mich mehreren Gouvernanten angeschlossen, um als Freiwillige Seeleute oder Soldaten zu pflegen, die von der See oder der Front verwundet und entkräftet heimkehrten.«
    Die Haushälterin konnte das schwache Zusammenpressen ihrer Lippen nicht unterdrücken. Samantha wusste, dass es immer noch Leute gab, die Frauen, die verwundete Soldaten pflegten, für kaum mehr als bessere Dirnen hielten. Schamlose junge Frauen, die, ohne rot zu werden, einen fremden nackten Mann ansehen konnten. Sie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg, und reckte das Kinn.
    Mr. Beckwith musterte sie über den Rand seiner Drahtbrille hinweg. »Ich muss gestehen, Miss Wickersham, dass Sie ein wenig … jünger sind, als es uns für diese Stellung vorschwebte. Die anstrengende Arbeit erfordert vermutlich eine Frau mit mehr … Reife. Vielleicht wäre eine der anderen Bewerberinnen eher …« Wegen Samanthas gönnerhaftem Blick verlor sich seine Stimme.
    »Ich sehe keine anderen Bewerberinnen, Mr. Beckwith«, erklärte sie und schob dabei ihre eigene, schlecht sitzende Brille ein Stück die Nase hinauf. »Berücksichtigt man die großzügige, ja extravagante Bezahlung, die Sie in Ihrer Anzeige offerieren, hatte ich damit gerechnet, Ihre Tür umlagert zu finden.«
    Ein weiteres Poltern war zu hören, diesmal sogar noch näher als zuvor. Es klang, als bahnte sich irgendein gigantisches Ungeheuer den Weg zu seiner Höhle.
    Mrs. Philpot hastete um den Stuhl herum, sodass ihre gestärkten Unterröcke raschelten. »Hätten Sie gern noch etwas Tee, meine Liebe?« Als sie Samantha aus der Porzellankanne eingoss, zitterte ihre Hand so sehr, dass der Tee über den Rand der Tasse in Samanthas Schoß schwappte.
    »Danke«, sagte Samantha leise und betupfte verstohlen den Fleck mit ihrem Handschuh.
    Der Boden unter ihren Füßen erbebte und Mrs. Philpot auch. Das gedämpfte Brüllen, das folgte, war mit unverständlichen Flüchen gewürzt. Man konnte es nicht länger leugnen. Jemand – oder etwas – war auf dem Weg zu ihnen.
    Mit einem entsetzten Blick auf die vergoldete Flügeltür, die in das angrenzende Zimmer führte, sprang Mr. Beckwith auf; seine hohe Stirn glänzte schweißfeucht. »Vielleicht ist jetzt nicht der
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