Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
beigesetzt wurde. Wenn die Flammen die Leiche erhitzen, bewegt sie sich.«
    In den östlichen Teilen des Reiches verbrannten sie ihre Toten. Die Priester behaupteten, wenn eine Leiche sich in den Flammen bewegte, spräche das vom Wunsch des Geistes, die Welt noch einmal zu sehen. Tiers alter Arbeitgeber, der Sept, der für Priester so viel übrig gehabt hatte wie ein Reisender - also nicht viel -, war davon ausgegangen, dass die Hitze das Gewebe schneller schrumpfen ließ als die Knochen, wenn die Leiche brannte. Was immer zutreffen mochte, die Toten blieben tot.
    »Er ist tot«, sagte Tier noch einmal. »Das schwöre ich.«
    Sie riss sich los, aber nur, um zum Fenster zurückzueilen. Sie atmete nun keuchend und zitterte davon am ganzen Körper. Wenn sie das unten auf der Treppe getan hätte, dachte er säuerlich, hätte er jetzt einen besseren Abend vor sich, als ohne Abendessen in den Regen hinausreiten zu müssen.
    »Sie hatten Angst vor ihm und seiner Magie«, sagte sie mit tiefer Stimme, die vor Zorn und Kummer bebte. »Aber sie haben den Falschen umgebracht. Diese dummen Solsenti glauben, dass ein Reisender immer ein Magier ist und ich harmlos bin, weil ich jung bin und ein Mädchen.«
    »Wir können es uns nicht leisten, noch länger hierzubleiben«, sagte er forsch, obwohl sein Herzschlag sich beschleunigt
hatte. Er war vertraut mit Magie, aber das würde ihm nicht viel helfen, falls er in der Nähe sein sollte, wenn sie wütend wurde. »Seid Ihr fertig?«
    Sie fuhr vom Fenster herum, und ihre Augen glühten noch ein wenig von der Magie, die sie gesammelt hatte, während sie beobachtete, wie die Leiche ihres Bruders brannte.
    Wahrscheinlich hätte Tier noch mehr Angst vor ihr gehabt, wenn er genau gewusst hätte, wozu sie fähig war.
    »Es sind zu viele Leute hier«, sagte er. »Nehmt, was Ihr braucht, und kommt mit.«
    Das Glühen verschwand aus ihren Augen, und sie sah nur noch leer und verloren aus, bevor sie sich wieder aufrichtete, entschlossen nach beiden Rucksäcken griff und nickte.
    Er legte ihr eine Hand auf die Schulter und folgte ihr nach draußen und die Treppe hinunter. Der Schankraum war erheblich leerer - zweifellos hatte man alle herausgerufen, damit sie sich die zuckende Leiche ansahen.
    »Geht lieber, bevor sie zurückkommen«, sagte der Wirt säuerlich. Er machte sich wahrscheinlich Gedanken, was seinem Gasthaus geschehen würde, wenn die Männer nach ihrem neuesten Schrecken zurückkamen und feststellten, dass die Reisende immer noch da war.
    »Verbrennt vorsichtshalber auch die Vorhänge«, erwiderte Tier. Der Inhalt des Raums war vollkommen in Ordnung, aber er fand, dass es dem Wirt nur recht geschähe, wenn er mehr von Tiers Geld ausgeben musste, um neuen Vorhangstoff zu kaufen.
    Das Mädchen, gesegnet sollte es sein, war vernünftig genug, den Blick niederzuschlagen und zu schweigen.
    Sobald sie das Gasthaus verlassen hatten, führte er das Mädchen zum Stall, wo der Stalljunge den Wallach bereits aus der Box geholt und gesattelt hatte. Auch der Wagen der Reisenden war da. Sie war leicht, also würde Scheck sie beide
leicht bis zum nächsten Dorf tragen können, wo Tier vielleicht ein zweites Reittier kaufen würde - aber der Handwagen stellte ein Problem dar.
    »Wir lassen den Wagen hier«, sagte er zu dem Jungen, nicht zu der Reisenden. »Ich will nicht nur so weit reiten, wie dieses Kind einen solchen Wagen ziehen kann.«
    Der Junge hob das Kinn. »Mein Vater sagt, Ihr müsst alles mitnehmen. Er will nicht, dass noch irgendwelche Flüche übrig bleiben.«
    »Er hat Angst, dass sie die Scheune anstecken werden«, sagte das Mädchen ins Nichts.
    »Das geschähe ihm nur recht«, erwiderte Tier in einem östlichen Dialekt, den ein Stalljunge, der in diesem Dorf zur Welt gekommen und aufgewachsen war, nicht kennen würde. Das rasche Nach-Luft-Schnappen des Mädchens sagte ihm, dass es den Dialekt durchaus beherrschte.
    »Gib mir eine Axt«, sagte Tier stirnrunzelnd. Sie hatten wirklich keine Zeit für diese Dinge. »Ich werde den Wagen verbrennen, bevor wir gehen.«
    »Das Pferd kann ihn ziehen«, sagte das Mädchen. »Unter dem Boden sind Deichseln angebracht.«
    Tier schnaubte, aber er schaute gehorsam unter den Wagen und sah, dass sie recht hatte. Ein Gabelkopfbolzen und ein Kipphebel erlaubten, den Hangriff unter den Wagen zu schieben. Und auf beiden Seiten gab es feste Deichseln, die man herausziehen und befestigen konnte.
    Tier sprach noch einmal mit dem Jungen. Das Gasthaus hatte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher