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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber
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Reisenden-Etikette. »Ich bin auf dem Rückweg nach Redern. Wenn meine Landkarte zutrifft - und bisher hat sie sich als bemerkenswert korrekt erwiesen -, liegt es etwa zwei Reisetage nordwestlich von hier.«
    »Mein Clan, der nur aus Ushireh und mir bestand, war unterwegs zu dem Dorf, das wir gerade verlassen haben«, erwiderte sie und schauderte nun. »Ich weiß nicht, wohin Ushireh hinterher gehen wollte.«
    Tier hatte damit gerechnet, sie zu ihren Leuten zurückbringen zu können. »Ihr wart nur zu zweit?«
    Sie nickte und beobachtete ihn so misstrauisch wie eine Henne den Fuchs.
    »Habt Ihr Verwandte in der Nähe? Jemanden, zu dem Ihr gehen könntet?«, fragte er.
    »Die Clans der Reisenden meiden diese Region«, sagte sie. »Es ist bekannt, dass sich die Leute hier vor uns fürchten.«
    »Warum ist Euer Bruder also hierhergekommen?« Er packte den Sattel ein wenig bequemer und ließ ihn an der Hüfte ruhen.

    »Das Oberhaupt eines Clans spürt oft, wo sich Umschattete aufhalten«, erwiderte sie düster. »Mein Bruder folgte einem von ihnen.«
    Tiers Erfahrung mit Magiern hatte dazu geführt, keine Fragen zu stellen, wenn sie über Magie sprachen - im Allgemeinen wusste man nach ihren Antworten weniger als zuvor. Was immer den jungen Mann hierhergeführt hatte, er hatte Seraph alleine zurückgelassen.
    »Was ist dem Rest Eures Clans zugestoßen?«, fragte er.
    »Die Pest«, sagte sie. »Eines Abends hießen wir einen fremden Reisenden an unseren Feuern willkommen. Am nächsten Abend hatte einer der Säuglinge Husten - und am Morgen darauf waren drei von uns tot. Der Clanführer versuchte, die Kranken zu isolieren, aber es war zu spät. Nur mein Bruder und ich überlebten.«
    »Wie alt seid Ihr?«
    »Sechzehn.«
    Das war jünger, als er aus ihrer Haltung geschlossen hatte, aber dem Aussehen nach hätte sie ebenso gut dreizehn sein können. Er hob sich den Sattel auf die Schulter, um den Arm auszuruhen. Als er das tat, hörte er ein dumpfes Geräusch, und der Sattel ruckte in seinem Griff. Ein Pfeil bebte in dem dicken Leder des Seitenblatts, das über seine Brust hing.
    Er warf sich nach vorn und drückte seine Begleiterin unter sich auf den schlammigen Boden. Obwohl sie verzweifelt versuchte, sich zu befreien, hielt er sie fest und sagte in einem tonlosen Flüstern: »Still jetzt, Liebes. Jemand da draußen schießt mit Pfeilen auf uns. Seht Euch meinen Sattel an.«
    Als sie sich beruhigte, glitt er von ihr herunter. Das Gras war ziemlich hoch und hatte ihre Bewegungen hoffentlich verborgen. Sie rollte sich auf den Bauch, bewegte sich aber nicht weiter von ihm weg. Er legte die Hand auf ihren Rücken, damit sie blieb, wo sie war, bis er ihren Angreifer gefunden
hatte. Ihre Rippen bebten im Gleichklang mit ihrem heftig klopfenden Herzen.
    »Er ist zwei Dutzend Schritte hinter Eurem Pferd«, flüsterte sie. »Ein wenig nach rechts.«
    Er fragte nicht, wieso sie ihren Angreifer in der Dunkelheit der Waldnacht sehen konnte, sondern schlich vorwärts, bis er vor Scheck hockte, wo er kurz verharrte und dabei hoffte, dass der Schlamm, der ihn am ganzen Körper bedeckte, verhindern würde, dass er zum Ziel für einen anderen Pfeil wurde.
    Er warf einen Blick zurück, um sich zu überzeugen, dass Seraph sich immer noch versteckte, dann verbiss er sich einen Fluch.
    Sie stand aufrecht und hatte den Blick auf eine Stelle hinter Scheck gerichtet. Er nahm an, sie beobachtete ihren Angreifer. Ihre Kleidung war dunkel genug, um kaum sichtbar zu sein, aber ihr helles Haar fing das schwache Mondlicht ein.
    »Seraph«, sagte eine leise Stimme. Sie sprach in einer fließenden Sprache weiter, die Tier noch nie zuvor gehört hatte.
    »Sprecht die Allgemeine Sprache«, antwortete Seraph mit kalter, klarer Stimme, die eher nach einer Kaiserin klang als nach einem zerschlagenen, schlammigen, halb erwachsenen Mädchen. »Die Sprache der Reisenden passt nicht zu Eurer Zunge. Ihr klingt wie eine Henne, die zu quaken versucht.«
    Nun gut, dachte Tier. Wenn unser Verfolger Seraph töten wollte, hätte er das schon getan. Inzwischen hatte er eine recht gute Vorstellung, wer da versucht hatte, ihn mit einem Pfeil zu treffen. Er hatte nicht gesehen, dass Lord Wresen einen Bogen besaß, aber wahrscheinlich hatte er sich beim Gepäck des Mannes befunden.
    »Ich habe den, der dir wehtun wollte, getötet«, fuhr die leise Stimme fort.

    Wahrscheinlich sah es für den Mann wirklich so aus, als wäre Tier tot. Er hatte sich einen halben Atemzug nach
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