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R4ge Inside

R4ge Inside

Titel: R4ge Inside
Autoren: Jeyn Roberts
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offenen Haare reichten ihr bis zu den Schultern. Eine Brille hatte sie auch nicht.
    Sie sah ziemlich normal aus.
    Â»Ich bin Dr.   Coats«, fuhr sie fort, als er nicht antwortete oder auf ihr Lächeln reagierte. »Du weißt ja, dass ich mich ein bisschen mit dir unterhalten möchte.«
    Er verschränkte die Arme vor der Brust, überlegte es sich dann aber anders. In seinem Psychologiekurs hatte er mal etwas darüber gelesen. Es war eine Defensivgeste. Es ließ ihn aussehen, als hätte er etwas zu verbergen. Als wäre er schuldig. Stattdessen schob er die Hände in die Taschen seiner Jeans und stieß den Fuß gegen den Schreibtisch. Seine Schnürsenkel waren schmutzig.
    Â»Daniel?«
    Sein Blick huschte zu ihr hinüber. Sie hatte ein Klemmbrett und einen Stift in der Hand, aber noch nicht angefangen zu schreiben. Sie wartete darauf, dass er etwas sagte. Dass er ihr sein Herz ausschüttete. Damit sie sich Notizen machen und Entscheidungen treffen konnte.
    Er hatte nichts zu sagen.
    Â»Daniel, weißt du, warum du hier bist?«
    Sag kein Wort. Sie können dir sowieso nichts. Es ist bald vorbei.
    Aber er musste reagieren. Er wollte nicht die ganze nächste Stunde damit verbringen, auf die schmutzige Wand vor sich zu starren. Warum hatten bloß immer alle das Bedürfnis, Stille mit Lärm zu füllen? Seine Mutter ließ zu Hause fast ununterbrochen den Fernseher laufen. Sie sagte, er beruhige ihre Nerven, sah aber nie hin.
    Das Problem war, dass er nicht wusste, wo er anfangen sollte. Von diesem Gespräch hing eine Menge ab. Es gab unzählige Worte, die er benutzen konnte. Zurzeit spukten zu viele Versionen in seinem Kopf herum. Wie sollte er ein Gespräch beginnen, wenn jede der möglichen Variablen zu einem anderen Ergebnis führen konnte?
    Â»Daniel?«
    Â»Er hat angefangen.« Jetzt hatte er etwas gesagt. Ein Anfang. Nicht gerade der beste. Er hätte etwas anderes sagen sollen. Innerlich zuckte er zusammen.
    Dr.   Coats’ Lippen gingen nach oben. »Du kannst ja reden. Ich dachte schon, du wärst stumm.«
    Daniel zuckte mit den Schultern.
    Â»Guter Start. Allerdings sind wir nicht hier, weil er angefangen hat.« Sie kam hinter dem Schreibtisch hervor und setzte sich seitlich auf die Kante. Daniel konnte ihr Shampoo riechen. Vielleicht war es auch eine Handcreme. Kokosnuss.
    Im Raum herrschte lange Stille. Dr.   Coats wartete. Er wusste, dass er etwas sagen sollte, aber was? Was ihn anging, hatte es keinen Zweck, darüber zu reden. Es war passiert. Die Vergangenheit konnte er nicht ändern.
    Es konnte nicht ungeschehen gemacht werden.
    Doch er wollte es ungeschehen machen.
    Nein, willst du nicht. Du willst es noch mal tun. Leugne es doch nicht. Du hast Chuck Steinberg gehasst. Du hast ihn gehasst. Er hat dich jeden einzelnen Tag deines Lebens wie Dreck behandelt. Was war denn damals, als er den streunenden Hund getreten hat, den du gefüttert hast? Er hat deiner Mutter erzählt, du wärst es gewesen. Und was ist dann passiert? Nein, er hat es verdient.
    Â»Du hast der Polizei gesagt, dass du dich an nichts erinnern kannst.« Sie zog die Kappe von ihrem Kugelschreiber und wartete. »Woher weißt du dann, wie es angefangen hat?«
    Â»So viel weiß ich noch.«
    Sie schrieb sich etwas auf, bevor sie weitersprach. »Willst du es mir erzählen? An was du dich noch erinnern kannst?«
    Du bist tot, du Loser. Ich mach dich fertig, für immer.
    Er hatte zu viel Zeit seines Lebens damit verbracht, für die meisten Erwachsenen unsichtbar zu sein. Jetzt kannte ihn jeder. In ein paar kurzen Minuten war aus einem durchschnittlichen anonymen Schüler jemand geworden, über den man sich im Lehrerzimmer und bei Elternversammlungen unterhielt. Er hatte es sogar in die Zeitung geschafft. Niemand wollte mehr etwas mit ihm zu tun haben. Seine Mitschüler ließen sich alles Mögliche einfallen, um nur ja nicht in die Nähe seines Schließfachs zu kommen. Die Mädchengruppe, die immer gekichert hatte, wenn er vorbeigelaufen war, drehte sich jetzt um und sah in die andere Richtung. Letzteres störte ihn gar nicht mal so sehr. Er war sowieso lieber allein.
    So fühlte er sich sicherer.
    Es ist bald vorbei.
    Â»Daniel?« Dr.   Coats trommelte mit den Fingernägeln auf dem Klemmbrett herum und schaute ihm direkt ins Gesicht. »Vergiss nicht, dass alles, was du hier drin sagst, vertraulich ist.
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