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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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befanden.
    „Willst du zuhören?“ fragte der Oheim.
    „Wenn es ein Werk von dir ist, gern!“ erwiderte Marcus; „wenn nicht, würde ich lieber mit dir plaudern. An jeder Straßenecke wird man heutzutage von Poeten und Sängern angefallen.“
    „Du hast recht; keine Basilika, kein Bad, keine Bibliothek, keinen Buchladen kann man betreten, wo nicht ein Poet wie ein Affe gestikuliert. Als Agrippa aus dem Orient zurückkam, hielt er die Leute für Tollhäusler. Aber die Zeit ist wirklich auch danach. Der Cäsar schreibt Verse; ihm tun es alle nach. Nur darf niemand bessere Verse machen als er; aus diesem Grunde fürchte ich ein wenig für Lucanus. Ich aber schreibe Prosa und belästige niemand mit Vorlesen. Was der Lektor vorlesen will, ist ein Kodicill des armen Fabricius Veiento.“
    „Wieso ‚arm‘?“
    „Weil ihm dringend geraten wurde, er solle den Odysseus spielen und nicht ohne ausdrücklichen Befehl in sein heimatliches Nest zurückkehren. Diese Odyssee wird zwar weniger hart für ihn sein, als sie’s dem Odysseus war, denn sein Weib ist keine Penelope. Ich brauche dir nicht zu sagen, daß er sich unklug benahm. Dies ist ein ziemlich langweiliges Buch, aber die Leute lesen es mit Eifer, seitdem der Autor verbannt ist. Von allen Seiten hört man sie ‚Skandala!‘ rufen; möglicherweise hat Veiento etwas übertrieben; aber ich kenne Rom, kenne unsere Männer und unsere Frauen, und ich versichere dir, die Wirklichkeit ist noch viel ärger. Unterdessen sucht jedermann in dem Buche sich selbst mit Besorgnis, Bekannte mit stillem Vergnügen. In der Buchhandlung des Avirnus schreiben es über hundert Kopisten nach Diktat; sein Erfolg ist sicher.“
    „Kommen deine Streiche nicht darin vor?“
    „Doch, aber der Verfasser ist im Irrtum; denn ich bin einerseits schlimmer, andererseits nicht so fade, wie er mich zeichnet. Wir haben schon lange das Gefühl für das, was edel und was gemein ist, verloren, und in meinen Augen gibt es gar keinen wirklichen Unterschied zwischen beiden, obwohl Seneca, Musonius und Thraseas ihn zu erkennen behaupten. Mir ist alles eins! Beim Hercules! Meine Meinung sage ich geradeheraus. Immerhin habe ich eine Überlegenheit bewahrt: Ich weiß, was schön und was häßlich ist. Das aber kann zum Beispiel unser kupferbärtiger Poet, Rosselenker, Sänger und Tänzer nicht unterscheiden.“
    „Es tut mir leid um Fabricius; er war ein guter Gesellschafter.“
    „Seine Eitelkeit hat den Mann ruiniert; man beargwöhnte ihn ohne sichere Beweise. Aber er konnte sich nicht beherrschen und vertraute jedermann sein Geheimnis an. Du kennst doch die Geschichte des Rufinus?“
    „Nein.“
    „So komm und kühle dich im Frigidarium ab; dort will ich sie dir erzählen.“
    Sie begaben sich ins Frigidarium, in dessen Mitte ein rosenfarbiger Springbrunnen Veilchenduft verbreitete. In samtverkleideten Nischen sitzend, kühlten sich die beiden ab. Längere Zeit herrschte Schweigen. Marcus betrachtete sinnend einen Faun aus Bronze, der sich über den Arm einer Nymphe beugte und mit seinen Lippen lüstern die ihrigen suchte.
    „Der hat recht“, sagte der Jüngling; „das ist das Beste im Leben.“
    „Mehr oder weniger, ja! Daneben liebst du aber auch den Krieg, von dem ich nichts wissen mag; denn unter einem Zelte werden die Fingernägel brüchig. Jedermann hat eben seinen besonderen Geschmack. Der Feuerbart liebt seine korinthische Vase, die er neben dem Bette stehen hat und küßt, wenn ihn der Schlaf flieht. Der Rand ist bereits weggeküßt. Sag, machst du keine Verse?“
    „Nein, ich habe noch nicht einen Hexameter verfaßt.“
    „Aber du singst und spielst die Laute?“
    „Nein.“
    „Bist du dann ein Meister im Wagenlenken?“
    „Ich versuchte es einst in Antiocheia, doch ohne Erfolg.“
    „Dann bin ich deinetwegen beruhigt. Zu welcher Partei gehörst du im Hippodrom?“
    „Zu den Grünen.“
    „Nun bin ich ganz beruhigt, zumal du wirklich großen Reichtum besitzest, wenn auch nicht so großen wie Pallas oder Seneca. Denn sieh, es ist gegenwärtig gut für uns, wenn wir Verse machen, zur Laute singen, deklamieren und im Zirkus uns mitbewerben; aber besser und vor allem sicherer für uns ist’s, wenn wir keine Verse machen, nicht singen, keine Laute schlagen, nicht an den Wettkämpfen im Zirkus teilnehmen. Am besten kommt der weg, der es versteht, das zu bewundern, was der Feuerbart bewundert. Du bist ein hübscher junger Mann; darum könnte Poppäa sich in dich verlieben. Das ist
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