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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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geschehen ist, so müssen wir seine Macht anerkennen, mögen wir sie nun segnen oder verfluchen.“
    „Ich sehe leider ein, Petronius, daß man in der Welt eher ein Dutzend Philosophen als einen guten Rat findet.“
    „Und was willst du nun eigentlich?“
    „Ich wünsche, Lygia zu gewinnen. Ich wünsche, daß diese meine Arme, die jetzt in die leere Luft greifen, Lygia umarmen und an mein Herz drücken; ich wünsche, daß ihr Atem mit meinem sich vermische. Wäre sie eine Sklavin, so würde ich Aulus hundert Mädchen anbieten, von denen jedes zum erstenmal auf den Markt gelangt ist. Ich will sie für mich haben, bis mein Haar so weiß ist wie der Schnee auf dem Gipfel des Soracte.“
    „Sie ist keine Sklavin, gehört jedoch zur Familia des Plautius, und da sie von den Ihrigen aufgegeben wurde, darf sie als Pflegetochter betrachtet werden. Plautius könnte sie dir überlassen, wenn er wollte.“
    „Du scheinst Pomponia Graecina nicht zu kennen. Beide Pflegeeltern könnten ihre eigene Tochter nicht inniger lieben.“
    „Pomponia kenne ich – die reine Zypresse. Wäre sie nicht des Aulus Gattin, könnte sie sich als Klageweib verdingen. Seit Julias Tode hat sie die schwarze Stola nicht abgelegt und schaut drein, als wandle sie bereits im Reiche der Schatten. Überdies ist sie eine Univira, die einzige Frau des Plautius, und muß im Vergleich mit unseren vier- und fünfmal schon geschiedenen Frauen geradezu ein Phönix genannt werden. Aber – hast du schon davon gehört, daß erst kürzlich in Oberägypten ein Phönix ausgebrütet worden sein soll? Es ist ein Ereignis, das nur alle fünfhundert Jahre einmal stattfindet.“
    „Petronius! Petronius! Lassen wir den Phönix für ein andermal!“
    „Worüber soll ich denn sprechen? Ich kenne Aulus Plautius als einen Mann, der zwar meine Lebensweise mißbilligt, mir aber dennoch eine gewisse Achtung zollt und mich vielleicht höher schätzt als viele andere; denn er weiß, daß ich mich niemals mit Denunzieren abgab wie Domitius Afer, Tigellinus und der übrige Freundestroß des Feuerbartes. Obschon ich kein Stoiker zu sein behaupte, war ich oft empört über Taten Neros, für die weder Seneca noch Burrus ein Wort des Tadels hatten. Wenn du meinst, ich könne etwas bei Plautius für dich tun, so stehe ich dir gern zu Diensten.“
    „Ich glaube, du kannst es. Du hast Einfluß auf ihn, und dein kluger Kopf wird dich Mittel und Wege finden lassen. Darf ich dich bitten, das Terrain zu sondieren und mit Plautius zu sprechen?“
    „Du überschätzest meinen Einfluß und auch meine Klugheit. Aber wenn du weiter nichts verlangst, so will ich gern mit Plautius sprechen, sobald er in die Stadt zurückkehrt.“
    „Er ist schon seit vorgestern zurück.“
    „So laß uns ins Triclinium gehen, wo bereits ein Mahl unser harrt; nachher können wir uns zu Plautius tragen lassen.“
    „Du bist mir allezeit ein gütiger Oheim gewesen“, antwortete Marcus Vinicius in freudiger Erregung; „nun aber soll deine Bildsäule unter meine Hausgötter versetzt werden und Opfer erhalten.“
    Mit diesen Worten wandte er sich gegen die Statuen, die die eine Wand des von Wohlgerüchen erfüllten Gemaches zierten, deutete mit dem Finger auf eine, die Petronius als Hermes mit dem Zauberstab darstellte, und fügte hinzu:
    „Bei den Strahlen des Helios, wenn der göttergleiche Alexander dir glich, so erstaune ich nicht mehr über Helena.“
    In dieser Versicherung lag ebensoviel Aufrichtigkeit wie Schmeichelei; denn Petronius war zwar älter und nicht so athletisch gebaut, aber doch schöner als Marcus Vinicius. Die Frauen Roms bewunderten nicht bloß seine geistige Gewandtheit und seinen feinen Geschmack, der ihm den Titel des Arbiter elegantiarum eingebracht hatte, sondern auch die Wohlgestalt seines Körpers. Diese Bewunderung ließ sich sogar von den Gesichtern der Mädchen aus Kos ablesen, die die Falten seiner Toga ordneten; eine, Eunike mit Namen, die ihn heimlich liebte, schaute ihm mit Demut, aber entzückt in die Augen. Er jedoch bemerkte es gar nicht, sondern kehrte sich lächelnd gegen Marcus Vinicius und zitierte einige wenig schmeichelhafte Worte Senecas über die Frauen. Indem er einen Arm auf die Schulter seines Neffen stützte, geleitete er ihn ins Triclinium.
    Unterdessen waren die beiden Mädchen aus Kos, die Phrygierinnen und die zwei äthiopischen Sklavinnen im Unctuarium damit beschäftigt, die Gefäße mit den wohlriechenden Salben wegzuräumen. Plötzlich erschienen die
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