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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Wahrlich, diese Vologesen, Tyrrhener, Tigraner werden mir zuwider, diese Barbaren, die nach der Versicherung des jungen Aurulanus daheim auf allen vieren kriechen und nur in unserer Gegenwart Menschen zu sein scheinen. Aber sie sind jetzt in Rom ein beliebtes Gesprächsthema, wenn auch bloß darum, weil es gefährlich ist, von etwas anderem zu reden.“
    „Der Krieg geht nicht vorwärts; ja, führte ihn nicht Corbulo, so wäre eine Niederlage gar nicht unwahrscheinlich.“
    „Corbulo! Beim Bacchus! Der leibhaftige Kriegsgott, ein Mars, ein tüchtiger Feldherr, temperamentvoll, rechtschaffen und einfältig in einer Person! Ich bin auf seiner Seite, schon deshalb, weil Nero ihn fürchtet.“
    „Corbulo ist aber nicht einfältig.“
    „Vielleicht hast du recht, aber es kommt auf dasselbe heraus. Einfalt, sagt Pyrrhon, ist keineswegs schlimmer als Weisheit und unterscheidet sich in nichts von ihr.“
    Vinicius begann nun vom Kriege zu erzählen, aber Petronius schloß wieder die Augen, und der Jüngling bemerkte erst jetzt die müden und hager gewordenen Züge seines Oheims; darum änderte er den Gegenstand des Gespräches und fragte, ob Petronius nicht wohl sei.
    „Wohl? – Nein.“ Er fühle sich nicht wohl. Zwar so weit wie mit Sisenna wäre es mit ihm noch nicht gekommen. Der wäre so wenig mehr seiner Sinne mächtig, daß er, wenn er des Morgens ins Bad getragen würde, frage: „Sitze ich?“ Dennoch sei Petronius nicht gesund. Vinicius hätte ihn soeben dem Schutze des Asklepios und der Kypris empfohlen; aber Petronius glaube nicht an Asklepios. Man wüßte ja nicht einmal, wessen Sohn dieser Asklepios gewesen, ob der Arsinoe oder der Koronis, und wenn sogar die Mutter zweifelhaft sei, was sollte man dann erst vom Vater sagen? Wer könnte heutzutage überhaupt für seinen Vater bürgen?
    Lachend unterbrach sich Petronius und fuhr dann fort:
    „Ich schickte wirklich vor zwei Jahren drei Dutzend Drosseln und einen goldenen Becher nach Epidauros; aber weißt du, warum? Ich sagte mir: Mag’s helfen oder nicht, schaden kann’s mir nicht. Obwohl die Leute immer noch Opfer für die Götter darbringen, glaube ich, daß alle meiner Ansicht sind, alle – ausgenommen vielleicht die Maultiertreiber, die an der Porta Capena sich von Reisenden mieten lassen. Von Asklepios ganz abgesehen, will ich auch mit den sogenannten Jüngern des Asklepios nichts zu tun haben. Als ich voriges Jahr ein Blasenleiden hatte, nahmen sie für mich eine ‚Inkubation‘ vor, das soll heißen, sie haben um meiner Gesundheit willen im Tempel geschlafen. Ich durchschaute ihren Hokuspokus, sagte aber zu mir selbst: Was tut’s? Die Welt lebt vom Betrug, das Leben selbst ist Täuschung, auch die Seele. Man braucht bloß soviel Verstand zu haben, um eine angenehme Täuschung von einer lästigen zu unterscheiden. Ich will Zedernholz mit Ambra bestreut in meinem Hypocaustum anzünden lassen; denn solange ich lebe, war mir Wohlgeruch lieber als Gestank. Was Kypris betrifft, der du mich gleichfalls empfahlst, so wisse, daß ich ihr mein Reißen im rechten Fuß verdanke. Im übrigen ist sie eine gute Göttin! Wahrscheinlich wirst auch du früher oder später weiße Tauben auf ihrem Altare opfern.“
    „Sicherlich“, versetzte Vinicius. „Die Pfeile der Parther haben mich nicht erreicht, doch Amors Pfeil hat mich getroffen – ganz unerwartet, einige Stadien vor den Toren Roms.“
    „Bei den weißen Schenkeln der Grazien! Davon mußt du mir gelegentlich erzählen!“
    „Ich kam eben, dich um deinen Rat zu bitten“, antwortete Marcus.
    In diesem Augenblick erschienen zwei Epilatoren, die Petronius bedienten. Auf dessen Einladung hin legte auch Marcus seine Tunika ab und stieg in das lauwarme Bad.
    „Ich brauche wohl nicht erst zu fragen, ob deine Liebe erwidert wird?“ sagte Petronius mit einem Blick auf den jugendlichen Körper seines Neffen, der wie aus Marmor gemeißelt schien. „Hätte Lysippos dich so gesehen, so würdest du jetzt als Standbild des jugendlichen Hercules das Tor zum Palatinus verzieren.“
    Der junge Krieger lächelte geschmeichelt und sprang ins Wasser, das hoch aufspritzte und sich über ein Mosaikbild ergoß; es stellte Hera dar, wie sie Hypnos, den Gott des Schlafs, anfleht, Zeus in Schlummer zu versenken. Petronius betrachtete ihn befriedigt mit den Augen des Künstlers.
    Nachdem Marcus sich den Epilatoren anvertraut hatte, trat ein Vorleser mit einer kupfernen Röhre herein, in der sich mehrere Papierrollen
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