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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Portiken, in den schmutzigen Schenken der Subura, auf der Milvischen Brücke oder vor den Insulae der Reichen zu finden waren, wo ihnen bisweilen Speisereste vom Tische der Sklaven zugeworfen wurden.
    Petronius war diesen Leuten wohlbekannt. Marcus hörte beständig den Ruf: „Hic est – Das ist er“. Petronius war seiner Freigebigkeit wegen beliebt; einer besonderen Volkstümlichkeit erfreute er sich jedoch, seitdem er vor dem Cäsar gegen ein Todesurteil gesprochen hatte, das über die ganze Familia, das heißt über das Sklavengesinde, des Präfekten Pedanius Secundus ohne Unterschied des Alters und des Geschlechtes gefällt worden war, weil einer in einem Augenblicke der Verzweiflung jenes Ungeheuer, den Präfekten, getötet hatte. Petronius selber erklärte zwar wiederholt, daß er mit dem Cäsar nur als Arbiter elegantiarum gesprochen habe, dessen Schönheitssinn durch ein Abschlachten, das Skythen, nicht aber Römern anstehe, beleidigt werde. Nichtsdestoweniger war er von da an ein populärer Mann. Doch war ihm diese Gunst höchst gleichgültig; er vergaß keineswegs, daß das Volk auch den Britannicus, den Nero vergiftete, geliebt hatte, ebenso Agrippina, die auf Neros Befehl getötet wurde, desgleichen Octavia, die man auf Pandataria, dem Verbannungsorte, in heißem Dampfe erstickte, nachdem ihr zuvor die Adern geöffnet worden waren, oder Rubelius Plautus, den Verbannung getroffen, und Thraseas, der jeden Tag des Todes gewärtig sein mußte. Volksgunst durfte folglich als ein ziemlich böses Omen angesehen werden; und der Zweifler Petronius war abergläubisch. Von zwei Gesichtspunkten aus betrachtete er die Menge: als Aristokrat und als Schöngeist. Leute, die nach gerösteten Bohnen rochen, die sie auf der Brust mit sich trugen, Leute, die beständig heiser und schweißbedeckt waren vom Moraspielen an den Straßenecken und Peristylen, verdienten in seinen Augen den Titel „Menschen“ nicht. Deshalb ignorierte er sowohl die Beifallsrufe wie die ihm von da und dort zugeworfenen Kußhände. Eben erzählte er seinem Neffen den Fall Pedanius und äußerte sich verächtlich über den Wankelmut des Straßengesindels, das am Morgen nach der gräßlichen Schlächterei Nero dennoch auf dem Wege zum Tempel des Jupiter Stator mit Beifallsrufen empfangen hatte.
    Jetzt gab er Befehl, vor der Buchhandlung des Avirnus anzuhalten, wo er ausstieg und ein schön verziertes Manuskript kaufte, das er Marcus reichte.
    „Ein Geschenk für dich“, sagte er.
    „Ich danke dir“, war die Antwort. Der Beschenkte las die Überschrift und fragte:
    „Satyrikon? Etwas Neues? Von wem ist es?“
    „Von mir. Ich bin aber nicht lüstern nach gleichem Schicksal wie Rufinus, von dem ich dir erzählen wollte, oder wie Fabricius Veiento; deshalb ist die Sache Geheimnis und soll es bleiben, denke daran!“
    „Du behauptest, keine Verse zu schreiben“, sagte Vinicius nach einem Blick in das Buch. „Doch sehe ich hier die Prosa stark mit Versen vermischt.“
    „Wenn du es liest, so beachte das ‚Gastmahl des Trimalchion‘. Was die Verse betrifft, so habe ich sie satt, seitdem Nero an einem Epos arbeitet. Wenn Vitellius sich erbrechen will, so braucht er Elfenbeinstäbchen, um damit den Schlund zu kitzeln. Andere bedienen sich in Olivenöl oder einen Absud wilden Thymians getauchter Flamingofedern. Für mich genügen Neros Verse. Der Erfolg ist augenblicklich da; sofort kann ich sie wieder rühmen und preisen, wenn auch nicht mit reinem Gewissen, so doch mit leichtem Magen.“
    Damit ließ er die Sänfte abermals anhalten, diesmal vor dem Gewölbe des Goldschmieds Idomeneus. Nachdem seine Angelegenheit hier erledigt war, gab er den Trägern die Wohnung des Aulus Plautius als nächstes Ziel an.
    „Unterwegs will ich dir die Geschichte von Rufinus erzählen“, sagte er, „damit du siehst, wie eitel ein Autor oft ist.“
    Er hatte jedoch kaum begonnen, als schon die Träger in den Vicus Patricius einbogen und vor Aulus’ Wohnung hielten. Ein kräftiger junger Türhüter öffnete die Tür zum Ostium, über dem eine Elster im Bauer sie mit dem Worte „Salve!“ begrüßte.
    Vom Ostium, dem zweiten Vorzimmer, ins Atrium schreitend, sagte Marcus:
    „Hast du bemerkt, daß die Türhüter ohne Ketten gehen?“
    „Ein sonderbares Haus“, antwortete Petronius leise. „Ohne Zweifel weißt du, daß Pomponia Graecina im Verdacht steht, Anhängerin jenes Aberglaubens zu sein, der aus dem Orient stammt und auf der Verehrung eines gewissen
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