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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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ganze Scharen müßigen Volkes zusammenkamen, um zwischen den Säulen herumzulungern, Neuigkeiten zu hören und zu erzählen, bekannte Persönlichkeiten in Sänften vorübertragen zu sehen und schließlich in Juwelenläden, Buchhandlungen, Wechselbuden und andere Verkaufsräume, die es dort in Menge gab, hineinzugaffen.
    Die eine Hälfte des Forums, unmittelbar zu Füßen des kapitolinischen Felsens, war bereits in Schatten getaucht; die höher gelegenen Tempelsäulen dagegen glänzten noch im Golde der Abendsonne. Die tiefer stehenden warfen lange Schatten auf die Marmorplatten. Das Forum war derart mit Säulen bebaut, daß das Auge sich darin wie in einem Walde verlor. Häuser und Säulen schienen zusammengehäuft, sie türmten sich übereinander; sie strebten teils der Höhe zu, teils klebten sie an der Felswand des Kapitols. Oberhalb des Säulenwaldes glänzten bemalte Triglyphen; aus den Tympanen traten plastische Göttergestalten hervor; auf den Giebelspitzen schienen beschwingte Quadrigen bereit, ihren Flug durch den Raum zum blauen Himmelsgewölbe zu nehmen, das sich so herrlich über der Ewigen Stadt rundete. In der Mitte und an den Grenzen des Forums wogte das Volk, haufenweise drängte es sich durch die Hallen der Basilika Julius Cäsars, haufenweise saß es auf der Treppe der Dioskuren Kastor und Pollux; der Vestatempel wimmelte von Menschen, die sich vom marmornen Hintergrunde wie buntfarbige Schmetterlinge und Käfer abhoben. Seitlich vom kapitolinischen Tempel des Jupiter Optimus Maximus fluteten neue Wogen die riesigen Stufen hernieder; die Rednerbühnen waren von Lauschenden umringt; da und dort boten lärmende Hausierer Früchte, Wein und Wasser mit Feigensaft feil; Scharlatane, Gaukler, Wahrsager, Entdecker verborgener Schätze und Traumdeuter trieben ihr Wesen. Bisweilen klangen die Töne einer ägyptischen Sistra, einer Sambuke oder einer griechischen Flöte durch den ohrenbetäubenden Tumult; Kranke, Betrübte und fromme Beter wanden sich durch das Gedränge, um ihre Opfergaben auf den Altar des Tempels zu legen. Mitten unter der Menge sammelten sich Scharen von Tauben auf den Steinplatten und pickten gierig die Körner, die man ihnen hinwarf. Von Zeit zu Zeit öffnete sich der Menschenhaufen, um Sänften durchzulassen, in denen geputzte Frauenköpfe oder die Häupter von Senatoren mit verlebten Zügen sichtbar waren. Die vielsprachige Menge rief laut die Namen und fügte Lob oder Spott hinzu. Hin und wieder marschierten Wachtsoldaten abgemessenen Schrittes zwischen den wirren Gruppen hindurch, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Ringsherum war die griechische Sprache ebenso häufig zu hören wie die lateinische.
    Marcus Vinicius, der lange Zeit nicht in Rom gewesen war, betrachtete mit einer gewissen Neugier den Schwarm des Volkes und das Forum Romanum, so daß Petronius, die Gedanken seines Gefährten erratend, den Schauplatz ein „Quiritennest – ohne Quiriten“ nannte. In der Tat war das römische Element nur schwach vertreten. Es erschienen da Äthiopier, kräftige, blondhaarige Gestalten aus dem fernen Norden, Britannier, Gallier, Germanen, schiefäugige Bewohner Sericums, Menschen vom Euphrat, vom Tigris und vom Indus, Syrier von den Ufern des Orontes, Wüstenbewohner aus Arabien, flachbrüstige Juden, Ägypter mit ihrem ewig-gleichgültigen Lächeln, Numidier und Afrikaner, Griechen aus Hellas, die sich mit den Römern in die Herrschaft Roms teilten, aber durch Kunst und Wissenschaft, durch Klugheit und List ihnen überlegen waren; Inselgriechen, kleinasiatische Griechen und solche aus den griechischen Kolonien in Ägypten, Italien und aus Gallia Narbonensis. Neben den Sklaven mit den durchbohrten Ohrläppchen fehlten weder die Freigelassenen, Leute, die nicht arbeiteten und deren Unterhaltung, Nahrung und Kleidung dem Cäsar anheimfiel, noch auch freie Fremdlinge, die die Aussicht auf Genuß und Reichtum nach Rom gelockt hatte. Serapispriester mit Palmzweigen in den Händen, Priester der Isis, deren Altar mehr Opfergaben empfing als der Tempel des Jupiter Capitolinus, Priester der Kybele, goldene Reisähren tragend, orientalische Tänzer, Amulettenkrämer, Schlangenzähmer und chaldäische Seher, alles wogte bunt durcheinander neben und mit jenen arbeitsscheuen Existenzen, die jede Woche vor den Lagerhäusern am Tiber Getreide verlangten, sich um Zirkusbillets schlugen, die Nächte in den zerfallenen Häusern jenseits des Flusses zubrachten, warme, sonnige Tage unter bedachten
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