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Quintessenzen

Quintessenzen

Titel: Quintessenzen
Autoren: Sven Böttcher
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größte Geschenk, das die Schöpfung uns gemacht hat. Deshalb: Sei unnatürlich.
    Natur ist manchmal – in unseren Augen und Ohren – atemberaubend schön, manchmal atemberaubend grausam, aber sie meint das nicht so. Weder fällt das bunte Herbstlaub, um uns zu erfreuen, noch lässt die Katze die gelähmte Maus noch ein paar Mal auftitschen, weil sie einen schlechten Charakter hat (oder einen schlechten Tag). Natur ist alles Mögliche, aber nicht barmherzig. Und falls doch, dann zufällig.
    Wir aber sind im Unterschied zu Zellen, Gazellen, Bäumen und Sternen in der Lage zu ignorieren, was unsere Na tur uns vorschreibt. Wir können uns verweigern. Der Arterhaltung ( → Kinder ) ebenso problemlos wie fast allen anderen natürlichen Diktaten. Dass die meisten diese Freiheit nutzen, um unterhalb der natürlichen Vorgaben Kettenraucher zu werden, Kleinsparer zu betrügen oder Frauen und Kinder zu erschießen, tut nichts zur Sache. Entscheidend ist, dass wir als einzige Lebewesen die Möglichkeit haben, über unsere Natur hinauszuwachsen.
    Wir können freiwillig zur Seite treten, wenn wir jemandem die Sonne nehmen (frag mal einen Baum). Wir haben eine Vorstellung von der Zukunft (frag mal eine Möwe). Wir haben Absichten und können uns die Konsequenzen unseres Handelns oder Nichthandelns ausmalen ( → Handeln und Entscheiden) (frag mal die Zelle). Wir können beschließen, dass wir aufhören, zu tun, was unsere Natur verlangt (frag mal einen Stern). Wir können uns sogar komplett widernatürlich verhalten und für einen einzelnen Artgenossen unser Leben hergeben, nur weil wir ihn lieben ( → Liebe A und B ). Oder, ebenso widernatürlich, unser Leben für etwas hergeben, was niemand sehen, riechen, schmecken, anfassen kann, weil es noch gar nicht materiell existiert: ein Ideal. Eine Idee. Einen Traum.
    Wir können daher etwas gänzlich Unerhörtes und einzigartiges: größer sein als die Natur. Denn wir sind frei ( → J. C. ). Der Preis, den wir für diese Freiheit zu entrichten haben, ist das Böse. Aber der Hauptgewinn ist das Gute. Das unerhört Gute, das, womit wir über unsere Natur hinauswachsen.



Kosmos A bis Atom
    Stell dir vor, es ist Nacht. Vielleicht ist gerade sogar Nacht, dann musst du’s dir nicht vorstellen. So, und jetzt schau tatsächlich oder gedacht in den wolkenlosen Himmel. Du siehst: Sterne. Dazwischen ganz viel Nix, und um die Sterne kreisend, wenn auch mit unserem schwachen Auge von hier unten nicht zu erkennen, nur mit Phantasie, Planeten sowie Monde, die wiederum um die Planeten kreisen. Das ist das Große, der Kosmos.
    Und jetzt wendest du den Blick nach innen und zoomst mal paarhundertfach ran. Noch näher. Näher. Weiter als das, was das Elektronenmikroskop hergibt, bis ganz tief hinein, wo’s überwiegend – Nix zu sehen gibt. Und ansonsten Atomkerne. Kleine Sonnen. Um die herum Planeten kreisen, auch wenn die hier Elektronen, Protonen oder Neutronen heißen.
    Gleiches Bild. Mikrokosmos. Ein paar Kerne und drum herum unendlich viel Platz.
    Unendlich? Na ja, fast.
    Im Schweinsgalopp die Maßstäbe, zunächst für den Blick nach außen, oben. Wir roden in Gedanken ein 1000 x 1000 Meter großes Stück Land irgendwo in bester Innenstadtlage und bauen uns darauf ein echtes Modell unseres Sonnensystems: Die Sonne wird durch eine gelbe Bowlingkugel repräsentiert, die Erde befindet sich – klein wie ein Stecknadelkopf – 20 Meter von ihr entfernt. Jupiter und Saturn werden durch Tischtennisbälle vertreten, knapp 100 Meter bzw. 200 Meter von der Bowlingkugel entfernt, Uranus und Neptun werden 300 und 400 Meter entfernte Luftgewehrkugeln, Pluto ein Staubkorn, 600 Meter weit weg. Mars, Venus und Merkur schmeißen wir irgendwo in der Nähe unseres Heimatstecknadelkopfes dazu, fertig. Unser Sonnensystem. So weit, so geräumig, denn da ist überwiegend: Platz. Also bauen wir uns das nächstgelegene Sonnensystem dazu – Alpha beziehungsweise Proxima Centauri. Dazu sollten wir allerdings anbauen. Denn wollen wir im Maßstab bleiben, gehört unser zum Hamburger Modell gehöriges Proxima-Centauri-Modell nach Thule, an die Nordküste von Grönland, knapp 5 000 Kilometer entfernt.
    Immerhin, das ist ja mal ein Anfang, stark verkleinert; treiben wir das Ganze weiter, passen auf unseren gesamten (echten) Planeten insgesamt etwa zwanzig Miniatur-Sonnensysteme, aber das war’s dann auch. Knapp zwei Dutzend Bowlingkugeln, ein paar Tischtennisbälle, Stecknadelköpfe und Staubkörner, und dazwischen
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