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Quintessenzen

Quintessenzen

Titel: Quintessenzen
Autoren: Sven Böttcher
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Jugend zum Erwachsenenleben im Besonderen der vom alten Hesse beschworene Zauber inne.
    Deshalb diese paar hoffentlich hilfreichen Anmerkungen zu diesem, jenem und dem ganzen Rest, verbunden mit einem Wunsch: Möge Licht auf all deine Wege scheinen, dein gan zes Leben lang, das du im sicheren Wissen lebst, aufgehoben zu sein im wunderbaren Kosmos und unter den schützenden Schwingen der Götter (ganz gleich, welche Namen du ihnen gibst).«





Der Sinn des Lebens
    Stellen wir uns einen Irren vor. Einen Irren, der sicher ist, dass er kraft seines allmorgendlichen Rituals (Aufstehen um vier, ein rohes Ei an der eigenen Stirn zerschlagen, den Blick fest nach Osten gerichtet) die Menschheit rettet, jeden Tag wieder, weil nämlich allein sein Ritual die Sonne aufgehen lässt. Verschliefe er, ginge die Welt unter.
    Dieser Irre ist ein glücklicher Mensch. Er trägt gern Verantwortung. Gut, manchmal möchte er ausschlafen, aber das bedeutet ihm nicht die Welt. Und er macht kein großes Gewese aus seiner Bedeutung. Seine Pfleger wissen nicht, wie wichtig er ist. Was macht das schon? In ihren Augen zerschlägt sich bloß allmorgendlich ein Irrer ein Ei am Kopf. Aber er weiß es besser. Das Glück der Menschen ist sein Werk, alles Glück, jedes Lachen ist sein Lohn. Dieser Mensch ist ein sehr zufriedener Irrer.
    Wir sind dieser Irre.
    Es gibt keinen naturgegebenen »Sinn des Lebens«, schon gar keinen, den wir herausfinden könnten. Unser Leben hat so viel Bedeutung, so viel Sinn, wie wir ihm zuweisen. Und das kann atemberaubend viel sein. Nichts kann dich daran hindern, Königin der Welt zu sein. Die einzige Welt ist die, die du dir machst, und deiner Vorstellung sind keinerlei Grenzen gesetzt.
    Ob du deswegen glauben musst, allein deinetwegen ginge jeden Morgen die Sonne auf? Warum nicht? Aber es geht vielleicht auch eine Nummer kleiner.
    Du wirst zu Recht einwenden, es wäre doch – wenn schon – netter, glaubten auch wenigstens ein paar andere, dass du die Sonnenerweckerin bist, die Königin, eine tolle Pianistin oder die beste Mutter der Welt. Recht hast du, das ist netter. Nimm es als Zugabe.
    Aber deine Welt, dein Glück und deine Bedeutung, der Sinn deines Lebens, hängen nicht an der Wahrnehmung anderer und schon gar nicht an deren Applaus. Du allein entscheidest, wie viel Sinn dein Leben hat.
    Das eine Glück
    Sprache formt Gedanken. Du kannst möglicherweise fühlen, aber nicht denken, wofür du keine Begriffe, keine Worte hast ( → elementares Wegdenken ). Diesbezüglich haben wir es mit unserer differenzierten Muttersprache wirklich gut getroffen, aber beim Begriff »Glück« versagt sie eigenartigerweise fast vollständig. Die Engländer sind lucky, happy und fortunate, die Franzosen sind heureux und kennen sowohl bonne chance als auch bonheur, wenn sie nicht gerade eben falls fortune haben. Was die Eskimos sind, weiß ich nicht, aber da sie für verschiedene Schneearten und -zustände angeblich haufenweise Begriffe haben, kennen sie vielleicht auch fünf für die grundverschiedenen Glücke.
    Wir hingegen sind glücklich, haben Glück oder noch mal Glück gehabt und schießen glückliche Tore. In dieser sprachlichen Schwäche dürfte begründet liegen, dass wir Deutschen nie so ganz glücklich sind, denn das Wort verlangt viel zu viel von uns.
    Sparen wir uns daher circa fünf Bibliotheken mit Glücksformeln und einigen wir uns beim Glück, das wir zwei hier meinen, dem wesentlichen, auf jenes, das mit unserer Haltung zu tun hat, nicht mit »Schwein gehabt« oder »Das fühlt sich jetzt aber gut an«, und halten wir assistierend Folgendes fest: Die vollkommene Abwesenheit von Negativem bei gleichzeitiger Anwesenheit von möglichst viel Positivem, das wäre wohl in den Augen der allermeisten: Glück. Dieses ferne Ideal streben wir alle an, und das immer. Was bedeutend ist für unser Verständnis von allem, auch und vor allem für das Verständnis unserer Mitmenschen resp. Neben darsteller. Menschen verfolgen mit ihrem Handeln immer eine Vergrößerung ihres eigenen Glücks – sie versuchen immer, den Anteil des Negativen in ihrem Leben zu verkleinern und den des Positiven zu vergrößern. Dass ihre Mittel und Handlungen dabei oft untauglich sind, steht auf einem ganz anderen Blatt. Entscheidend ist: Das Motiv ist immer die Verbesserung der eigenen Lage. (Und wenn du gestattest, erlaube mir den Zusatz, dass niemand hierbei bewusst falsch oder »böse« handelt, also entgegen seiner eigenen Vorstellung von
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