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Quintessenzen

Quintessenzen

Titel: Quintessenzen
Autoren: Sven Böttcher
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»richtig« und »falsch«, nicht einmal ein Mörder. Nach deiner und 99 % deiner Mitmenschen Ansicht handelt letzterer un moralisch, aber nach seiner Ansicht ist sein Verhalten gut und richtig, nämlich weil es seine Lage verbessert.)
    Das Missverständnis bei der Suche nach Glück besteht vor allem in der Verwechslung von Weg und Ziel. Das Ziel »nur Positives, nichts Negatives« ist vernünftig, erreichbar ist es allerdings mitnichten. Daher ist Glück in erster Linie eine Frage des Anspruchs. Wer weiß, dass das Ziel »andauernd Positives« unerreichbar bleibt, genießt die Phasen, in denen er seinem eigenen Wunsch nah ist – und hält sich nicht für unglücklich in jenen Phasen, in denen er von seiner eigenen Wunschvorstellung mehr oder weniger weit entfernt ist. Voraussetzung für wahres Glück ist also paradoxerweise die Erkenntnis, dass unsere Wünsche auch im günstigsten Fall nie erfüllt werden. Wer fähig zum Glück ist, der weiß, dass wahres Glück Phasen des Pechs, des Kummers, der Unzufriedenheit und des Unglücks umfasst – und der verlangt nicht, immer tun zu können, was er gerade will, sondern will immer, was er gerade tut.
    Der wahrhaft glückliche Mensch ist daher jener, der sich als lebendiger Teil des Kosmos fühlt und des Zeitstroms, der durch seine eigenen Adern von seinen Vorfahren zu seinen Nachfahren fließt; der unbekümmert vom Wissen um seine eigene Endlichkeit, sich seiner selbst und seiner Grenzen bewusst, in heiterer Illusionslosigkeit Tag für Tag aufs Neue gespannt erwartet, welche neuen Erkenntnisse er dem Leben abgewinnen darf.
    PS : »Such dein Glück« erweist sich übrigens oft als ganz und gar blödsinniger Ratschlag, denn das Glück ist Weltmeister im Verstecken (Vizeweltmeister ist der Geistesblitz). Bevorzugt taucht das begehrte Glück auf, wenn wir uns mit etwas ganz anderem beschäftigen und so tun, als interessierten wir uns überhaupt nicht dafür, wo es steckt. Dann nämlich kommt es neugierig aus seinem Versteck, interessiert sich für dein unerhörtes Desinteresse, gesellt sich direkt an deine Seite und bereichert dein Leben durch seine unmittelbare Gegenwart.
    Zeit
    Zeit ist alles, was wir haben. Wir wissen nicht, in welchem Umfang, denn die für uns wahrnehmbare Zeit kann jederzeit enden ( → Tod ). Die meisten scheinen das allerdings nicht zu wissen, leben sie doch, als wäre durchschnittliche Lebenserwartung so was wie ein Toaster mit Garantie, den man bei Versagen im Media Markt reklamieren kann.
    Da Zeit alles ist, was wir haben, ist Zeitverschwendung eine Katastrophe, eine wahre Sünde dir selbst und dem Geschenk des Lebens gegenüber. Wobei du mich bitte nicht falsch ver stehst: Was pragmatisch denkende Menschen Zeitverschwen dung nennen, ist oft genau das Gegenteil. In den Himmel zu schauen und die Gedanken schweifen zu lassen, ist keine Zeitverschwendung. Einer erfüllenden Tätigkeit nachzugehen, ist keine Zeitverschwendung. Und du wirst feststellen, dass die Zeit für dich viel langsamer verstreicht als für andere, wenn du etwas an sich und für dich Schönes tust – »Nie im Leben hab ich jetzt zehn Stunden gepuzzelt! «. Deine Empfindung ist richtig, denn für den, der sich im Einklang mit den Kräften um sich herum befindet, vergeht die Zeit nicht im Flug, sondern gar nicht. Sie verstreicht nur um ihn herum weiter, und nicht er hat sie vergessen, sondern sie ihn.
    Echte Zeitverschwendung ist hingegen etwas ganz anderes, nämlich alles, was du nicht willst und eigentlich auch nicht müsstet. Dass wir gelegentlich Dinge tun müssen, die wir nicht tun wollen, gehört nicht dazu. Ein Kind zu wickeln, ist keine Zeitverschwendung. Zeitverschwendung ist: einen Ar tikel zweimal schreiben, weil einem der Computer abgestürzt ist und man das Dokument nicht gesichert hatte. (Die Erfahrung ist ausgesprochen lehrreich, denn sie erzeugt vortrefflich das Gefühl, das sich bei jeder Zeitverschwendung einstellen sollte: tiefe Frustration und Verzweiflung über die verlorenen Stunden).
    Ein weiterer Aspekt des höchsten Gutes Zeit muss erwähnt werden: Der Volksmund sagt »Zeit ist Geld«, meint damit etwas ganz anderes und trifft trotzdem den Nagel auf den Kopf, nämlich im Umkehrschluss. Denn → Geld ist durchaus Zeit.
    Investierst du deine Zeit mit Geschick, wirst du dafür Geld erhalten, manchmal erbst du auch welches oder kriegst es geschenkt. Betrachte dieses Geld nicht als Mittel, um Güter dafür einzutauschen, sondern als Zeitgeschenk. Denn du kannst
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