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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten
Autoren: Philipp Vandenberg
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Verhältnis zu Ihrer Mutter war nicht gerade das beste.«
    Brodka hob die Schultern. »Ehrlich gesagt, meine Trauer hält sich in Grenzen. Ich kannte meine Mutter kaum, jeder lebte sein eigenes Leben. Sie verstand es auf unerklärliche Weise, mich auf Distanz zu halten. Ich habe den Eindruck, erst jetzt lerne ich sie besser kennen, je mehr Schubladen und Türen ich öffne.«
    Frau von Veldhoven nickte. Dann fragte sie unvermittelt: »Sie wissen, wie Ihre Mutter starb?«
    »In den Papieren steht Herzversagen.«
    »Claire bat mich zum Tee, was selten genug vorkam. Wir saßen uns hier gegenüber. Plötzlich rang sie nach Luft und sank lautlos in ihrem Lehnstuhl zusammen. Es dauerte nur zehn Minuten, bis der Arzt eintraf … aber er kam zu spät. Ich war die einzige an ihrem Grab.«
    »Dann waren Sie es, die mich in Amerika aufgespürt hat?«
    »Nein«, erwiderte Frau von Veldhoven, »das war Sache der Behörden.«
    »Und die vielen Blumen am Grab?«
    »Ich dachte, die wären von Ihnen.«
    »Keineswegs. Als ich vom Tod meiner Mutter erfuhr, war sie schon unter der Erde.«
    Brodkas Worte schienen die Besucherin zu verunsichern. Sie zog die Stirn in Falten.
    »Hinzu kommt«, bemerkte sie und machte eine lange Pause, »Ihre Mutter hatte nie Besuch, aber am Tag nach ihrem Tod erschienen zwei gut gekleidete vornehme Herren und baten um Zutritt zur Wohnung.«
    »Und? Haben Sie die Männer eingelassen?«
    »Natürlich nicht, ich bitte Sie. Sie nannten zwar ihre Namen und beteuerten, sie seien Angehörige, aber ich hatte ja gar nicht das Recht, sie in die Wohnung Ihrer Mutter zu lassen. Ich hoffe, ich habe da nichts falsch gemacht. Wissen Sie, wer die beiden Männer gewesen sein könnten?«
    Brodka hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Ich kann Ihnen nur danken, daß Sie sich so verhalten haben.«
    Eine Pause entstand. Beide schauten sich im Zimmer um, als suchten sie nach einer Antwort auf all die Fragen. Als ihre Blicke sich schließlich trafen, wobei Brodka seine Verlegenheit nicht verbergen konnte, fragte er unvermittelt: »Was haben Sie gemeint, als Sie sagten, meine Mutter habe in ständiger Angst gelebt?«
    »Ehrlich gesagt, kann ich Ihnen das auch nicht erklären. Es war nur so ein Gefühl. Gewiß, manche Frauen sind von Natur aus schreckhaft, aber Claires Verhalten ging weit darüber hinaus. Sie war äußerst empfindlich, mißtrauisch, ich möchte sogar sagen abweisend … auch mir gegenüber. Und wenn ich sie darauf ansprach, zog sie sich in ihr Schneckenhaus zurück und erging sich in endlosem Schweigen, als wollte sie mich für meine vorlaute Frage bestrafen. Aber jetzt müssen Sie mich entschuldigen.« Sie reichte Brodka die Hand und verschwand.
    Die Weichheit ihrer Hand wirkte abstoßend auf Brodka. Irgendwie hatte er das Gefühl, als würden sich hinter dem gezierten Auftreten der Frau nur Berechnung und Hinterhältigkeit verbergen. Aber vielleicht lag es auch nur an der ganzen Atmosphäre.
    Die Wohnung war ungeheizt, und Brodka fröstelte. Er beschloß, das Haus zu verlassen.
    Draußen schlug ihm feuchte, eisige Luft entgegen.
    Brodka hatte seinen Jaguar an der gegenüberliegenden Straßenseite geparkt. Im dichten Verkehr überquerte er die Fahrbahn. Er zog den Autoschlüssel aus der Tasche und war gerade dabei, die Wagentür zu öffnen, als ein merkwürdiges Geräusch ihn erschreckte. Es klang wie ein Schuß, nur nicht so laut und dröhnend. Sekundenbruchteile später spürte Brodka einen heftigen Schlag an der rechten Wade.
    Instinktiv fuhr er herum und blickte zur anderen Straßenseite, wo im selben Augenblick das Mündungsfeuer einer Waffe zu sehen war. Sekunden später folgte ein zweiter Lichtblitz, dann ein dritter. Mit metallischem Klingeln schlug eine Kugel in die hintere Tür seines Wagens ein.
    Brodka reagierte rein instinktiv. Er riß die Fahrertür auf ließ sich auf den Sitz fallen, preßte den Kopf auf den Beifahrersitz und blieb starr vor Schreck liegen.
    Wie lange er in dieser Haltung verharrte, vermochte er später nicht zu sagen. Erst ein heftiges Klopfen gegen die Scheibe holte ihn in die Wirklichkeit zurück.
    »Sind Sie verletzt?« rief eine aufgeregte Stimme durch die geschlossene Tür.
    Brodka rappelte sich hoch. Draußen stand ein Polizist. Das Blaulicht eines Streifenwagens kreiselte grell.
    »Sind Sie verletzt?« wiederholte der Polizist, während er die Fahrertür öffnete.
    »Nein, nein. Alles in Ordnung«, stammelte Brodka, immer noch benommen.
    »Jemand hat auf Sie
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