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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten
Autoren: Philipp Vandenberg
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Brodka hatte eine unbrauchbare Fotoreportage über den Modeschöpfer Sam Suller hinter sich – ein ziemliches Ekel, wie sich herausgestellt hatte –, und Juliette Collin hatte bei einer Impressionisten-Auktion bei Christie's in der Park Avenue den erfolglosen Versuch unternommen, für ihre Galerie in München drei Graphiken von Marc, Heckel und Kandinsky zu ersteigern. Niederlagen verbinden, und so hatten sich beide damals ihr Leid geklagt. Man kam sich näher, und die Tatsache, daß sie beide aus derselben Stadt kamen, half dabei ein wenig – immerhin so viel, daß sie die Nacht gemeinsam verbrachten.
    Es wäre verkehrt gewesen, Juliette Collin deshalb für leichtfertig oder gar liederlich zu halten, und auch Brodka war keineswegs der Typ, der, was Frauen betraf, jede Gelegenheit nutzte, die sich ihm bot. Nein, diese Begegnung im September vor drei Jahren hatte beide mit der Wucht eines Sinnenrausches getroffen, wie weder Brodka noch Juliette dies zuvor erlebt hatten.
    Gewiß, Juliette war verheiratet. Ihr Mann, Professor Hinrich Collin, besaß einen hervorragenden Ruf als Chirurg; aber nur seine nächste Umgebung wußte davon, daß er vor jeder Operation eine halbe Flasche Cognac konsumierte. Ohne Alkohol lief bei ihm gar nichts, wenngleich er mit fünfundvierzig Jahren seine Potenz versoffen und seine Liebesfähigkeit verspielt hatte. Was Wunder, daß Juliette darunter litt. Sie fühlte sich vernachlässigt, frustriert, und nur ihre gesellschaftliche Stellung hatte sie bis dahin davon abgehalten, sich einen Liebhaber zu nehmen.
    Zum damaligen Zeitpunkt war Brodka bereits seit mehr als zehn Jahren geschieden. Es war keine Scheidung aus Haß oder Überdruß gewesen. Brodka und seine Frau hatten schlichtweg eingesehen, daß sie nicht zueinander gepaßt hatten. So hatten sie sich nach drei Jahren getrennt, ohne Streit, ohne Zorn und ohne dem anderen weh zu tun – und mit der Erkenntnis, daß eine Stierfrau nicht zu einem Steinbock paßt.
    Nicht mehr, aber auch nicht weniger wußten Brodka und Juliette voneinander, nachdem sie ihre erste gemeinsame Nacht verbracht hatten. Sie waren beide alt genug, davon auszugehen, daß sich keine feste, ernsthafte Beziehung daraus entwickeln würde, doch beide hatten sich getäuscht. Brodka liebte Juliette noch immer so sehr wie vor drei Jahren – eine Liebe, die sie mit der gleichen Intensität erwiderte.
    Juliette war ein kleines, energiegeladenes Persönchen mit braunen Augen und schwarzem Haar, das sie meist streng nach hinten gekämmt und im Nacken geknotet trug. Wie alle Schwarzhaarigen besaß sie eine dunkle Haut. Früher hatte sie darunter gelitten, daß sie von der Natur nur mit ein Meter sechzig Körpergröße gesegnet worden war, und sie hatte stets hohe Absätze getragen, was ihrem Typ sehr entgegenkam, doch seit Brodka ihre 160 Zentimeter als die schönsten der Welt bezeichnet und erklärt hatte, jeder Zentimeter mehr würde nur die Harmonie des Ganzen stören, hatte ihre Kleinheit sich in pures Selbstbewußtsein gewandelt, und Juliette trug ihr Aussehen mit jenem gewissen Stolz zur Schau, der Frauen so anziehend macht.
    Ihre Galerie in bester Lage der Stadt lief gut, besser als die meisten anderen Kunsthandlungen in der Gegend, die nach Abzug der horrenden Mieten kaum Gewinn abwarfen. Juliette hatte Kunstwissenschaft und Deutsch für das Lehramt studiert, ihre Pläne aber nach sechs Semestern aufgegeben, weil Hinrich Collin ihr einen Heiratsantrag machte. Sie legte unerwartetes kaufmännisches Geschick an den Tag, als sie ihre neue Karriere begann, indem sie den zehnjährigen Mietvertrag einer in Konkurs gegangenen Boutique übernahm und einem Schulfreund die Expressionisten-Sammlung seines verstorbenen Vaters abschwatzte. Der Sohn hatte kein Interesse an den Gouachen von Klee, Munch, Feininger und Nolde und verkaufte sie für eine halbe Million, die Juliette über einen Kredit finanzierte, welchen sie bei der Bank ihres Mannes aufnahm, der die erforderlichen Sicherheiten bieten konnte. Nach einem halben Jahr hatte sie bereits die Hälfte der Bilder verkauft – mit den üblichen 100 Prozent Aufschlag, versteht sich – und damit einen Großteil ihrer Schulden getilgt. Seither galt die Galerie Collin unter Sammlern von Impressionisten und Expressionisten als erste Adresse.
    Professor Collin stand den Aktivitäten seiner Frau von Anfang an mit Argwohn gegenüber, und je mehr Erfolg Juliette für sich buchte, desto mißtrauischer wurde ihr Mann; ja, seine
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