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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten
Autoren: Philipp Vandenberg
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gewandt: »Wie kommen Sie ausgerechnet an dieses Foto? Ich meine, Ihr Vater hat doch Tausende von ähnlichen Bildern geschossen.«
    Maria Bonetti wurde verlegen. »Mein Vater gab es mir eines Tages mit der Bemerkung, ich könnte es irgendwann vielleicht zu Geld machen.«
    Brodka blickte irritiert. »Zu Geld machen?«
    »Ja«, erwiderte die junge Frau. »Das Foto ist nämlich ein Knüller.«
    »Ich verstehe nicht«, warf Brodka ein. »Was ist denn so Besonderes an diesem Bild?«
    »Der Mann an der Seite Ihrer Mutter«, antwortete Maria Bonetti.
    »Sie kennen ihn?«
    »Jeder kennt ihn. Sehen Sie sich doch das Bild einmal genauer an.«
    Juliette reichte Brodka die Fotografie zurück. »Keine Ahnung, wer das sein könnte.«
    »Es ist Alexander Manik. Jedenfalls trug er noch diesen Namen, als das Foto geschossen wurde. Heute ist er der Papst.«
    Juliette ergriff Brodkas Hand. Der stand wie versteinert. Mühsam versuchte er den Wirrwarr seiner Gedanken zu ordnen. Vieles, das bisher keinen Sinn ergab, wurde mit einem Mal verständlich. Gleichzeitig kam ihm ein beinahe unfaßbarer Gedanke.
    »Ich glaube, wir sollten Brodka jetzt allein lassen«, meinte Juliette, an Sydow und Maria Bonetti gewandt.
    Die beiden fanden die Aufforderung nur zu verständlich, und Juliette begleitete sie hinaus.
    Brodka blieb noch einen Augenblick verloren in der Hotelhalle stehen, als ein Mann auf ihn zutrat. Er trug einen schlichten dunklen Anzug; nichts deutete darauf hin, wer er war und woher er kam.
    »Signore Brodka? Alexander Brodka?«
    »Ja, der bin ich.«
    »Eine Botschaft für Sie.«
    Er reichte ihm einen schlichten weißen Umschlag. Brodka drehte ihn verwundert in den Fingern. Als er das blindgeprägte Wappen auf der Rückseite sah, erstarrte er.
    In dem Umschlag war ein einzelnes, gefaltete Blatt aus feinstem Büttenpapier. Darauf in einer fein geschwungenen, etwas zittrigen Handschrift die Worte:
    ›Campo Santo. C.B. 18 Uhr.‹
    Brodka hob den Blick, aber der unbekannte Bote war bereits verschwunden.
    Er trat aus der Hotelhalle auf die Straße hinaus. Auf der Via Véneto herrschte Feiertagsstimmung. Die Straßencafés waren voll besetzt. Die ersten Lichter flammten auf.
    Wie in Trance stieg er in ein Taxi.
    » Città del Vaticano «, sagte er. Zum Vatikan.
    Brodka suchte den Weg zum Campo Santo, wo um diese Zeit friedliche Stille herrschte. Hier und da gingen noch Pilger über den Platz, einzeln oder in Gruppen. Nichts Ungewöhnliches war zu sehen, bis er den Eingang zum Vatikangelände links neben der mächtigen Fassade von St. Peter erreichte.
    Gewöhnlich hielten hier zwei Schweizergardisten Wache, die jeden bereitwillig durchließen, der sich als Deutscher zu erkennen gab. Jetzt war der Campo Santo abgesperrt durch einen Kordon von Wachen in Blau und Gelb. Stumm wies Brodka das Schreiben vor, das er erhalten hatte. Ebenso stumm ließ man ihn passieren.
    Er sah den weißgekleideten Mann sofort, als er das Tor zum Campo Santo durchschritt, und er zweifelte nicht, daß er es war. Trotzdem ging er festen Schrittes auf sein Ziel zu. Vor dem Grab blieb er neben dem alten Mann stehen.
    Sie würdigten sich keines Blickes.
    »Ich bin Alexander Brodka«, sagte er, ohne den Blick von dem Grab zu wenden.
    »Ich weiß.« Der Mann im weißen Talar blieb unbewegt.
    Nach einer Weile beiderseitigen Schweigens unterbrach Brodka die unheimliche Stille. »Warum haben Sie das getan?«
    »Aus Liebe zu dieser Frau.«
    »Und warum haben Sie mit der Beisetzung soviel Verwirrung gestiftet?«
    »Mir blieb keine andere Wahl. Sollte bekannt werden, daß ich Claire Brodka über den Tod hinaus liebe?«
    »Dann waren die Blumen auf dem leeren Grab in München von Ihnen?«
    »Gewiß.«
    »Und welche Rolle spielte Kardinal Smolenski in der Angelegenheit?« wollte Brodka wissen.
    Der andere blickte noch immer starr auf das Grab. »Er hat sich um deine Mutter gekümmert. Aber er hat zur Bedingung gemacht, daß man dich in ein Klosterinternat steckte und daß sie sich von dir fernhielt. Hinter Klostermauern wollte er dich unter Kontrolle haben – und damit auch mich.«
    Der Mann in Purpur! Mit einem Mal war die Erinnerung wieder da: Der kleinwüchsige Mann, der einem Jungen von neun Jahren wie ein Riese erschien. Er hatte seinen Haß auf die Farbe Purpur ausgelöst. Smolenski, der Kardinal des Teufels.
    In Brodka kochte Zorn hoch; jener unerklärliche Zorn, der ihn so oft übermannt hatte, jetzt fand er ein Ziel: »Und du hast das alles gewußt und nichts dagegen
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