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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten
Autoren: Philipp Vandenberg
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sie schon in der Hand? Ein paar Mikrokassetten mit irrwitzigem Inhalt und die Aussagen von drei Männern, von denen einer tot war und die beiden anderen verdächtigt wurden, nicht mehr Herr ihrer Sinne zu sein.
    Beifall brandete auf, als der Papst in Begleitung des Kardinalstaatssekretärs und des päpstlichen Kammerherrn auf die Loggia trat. Der Mann wirkte bleich und zerbrechlich, beinahe schüchtern.
    Mehr als der Papst faszinierte Brodka die Erscheinung Smolenskis. Er war klein und gedrungen, und sein bleiches Gesicht wurde von schwarzen, buschigen Brauen beherrscht. Seine Mozzetta , der purpurne Umhang, stieß Brodka schon der Farbe wegen genauso ab wie dieser Mann.
    Der Papst wirkte rührend, beinahe hilflos, als er in lateinischer Sprache den Segen erteilte. Brodka verfolgte jede seiner Bewegungen. Von nun an ließ er den alten Mann nicht mehr aus den Augen.
    Deshalb entging ihm auch die Unruhe des Kardinals zu dessen Rechten. Smolenski musterte den Papst, der nun Osterwünsche in allen Sprachen in die Welt schickte, von der Seite. Dann schweifte sein Blick betont gleichgültig hinüber zu den Kolonnaden, dann wieder zum Papst und erneut zu dem Gerüst auf der Balustrade.
    » Joyeuses Pâques !« rief der Papst in französischer Sprache in das Mikrofon, das sich dicht vor seinem Mund befand.
    Auf dem Platz erschallte verhaltener Beifall.
    Brodka warf Sydow einen unsicheren Blick zu. Sollten sie sich getäuscht haben? Sollten sie sich etwas eingeredet haben, das nur in ihrer Phantasie existierte?
    Warum stehe ich hier eigentlich, sagte Brodka zu sich selbst. Wenn er auf die vergangenen Monate zurückblickte, dann hatte er Teile eines Puzzles zusammengesetzt, nur das entscheidende Einzelstück, welches alles erklärte, fehlte.
    Während Brodka darüber nachdachte, während er an sich selbst zweifelte, entging ihm, wie Smolenski unter seine purpurfarbene Mozzetta griff, als wollte er seine Kleidung zurechtrücken. Noch einmal schweifte der Blick des Kardinals vom Papst, der dicht neben ihm stand, zu dem Gerüst auf den Kolonnaden und wieder zurück.
    »Frohe Ostern!« schallte die Stimme des Papstes über den Platz.
    Ein zynisches Lächeln umspielte Smolenskis Lippen. Er fühlte den winzigen Sender in seiner Hand. Sein Daumen suchte nach dem Auslöser. Mit gespielter Frömmigkeit schloß Smolenski die Augen.
    Der Schuß löste sich geräuschlos. Smolenski riß die Augen weit auf, verharrte eine Sekunde stocksteif und sackte lautlos in sich zusammen. Er war auf der Stelle tot.
    Aus dem Hintergrund eilten zwei Diakone zu Hilfe. Sie trugen den Kardinalstaatssekretär ins Innere.
    Für einen Augenblick machte sich auf dem Petersplatz Unruhe breit. Scheinbar unbeeindruckt fuhr der Papst mit seinem Segen fort.
    »Was ist da geschehen?« raunte Sydow Brodka zu.
    Brodka schüttelte den Kopf. Er stand da wie versteinert.
    Auf der Loggia beendete der Papst die Zeremonie. Er winkte den Menschen zu und verschwand.
    Da spürte Brodka, wie eine Hand die seine umfaßte. Brodka blickte sich um.
    »Juliette!«
    Die beiden schauten sich an. Dann fielen sie sich in die Arme.
    In den 13-Uhr-Nachrichten verbreitete Radio Vatikan die Meldung, daß Kardinalstaatssekretär Smolenski während des Segens Urbi et Orbi vom Herztod ereilt worden sei. Den Papst habe der Vorfall zutiefst erschüttert.
    Das Ereignis löste im Vatikan weniger Betroffenheit als eine unerklärliche Hektik aus. Von Feiertagsruhe konnte keine Rede sein.
    In Smolenskis Schaltzentrale hatte Polnikov die Regie übernommen. Er verfolgte die Unruhe an den Bildschirmen mit wachsamen Blicken, und so wußte er auch, daß Kurienkardinal Sperling alias Belphegor sich auf dem Weg zu ihm befand.
    Polnikov erwartete Sperling im Vorzimmer.
    Der Kardinal schloß die Tür hinter sich, trat auf Polnikov zu und umarmte ihn.
    »Sie haben gute Arbeit geleistet, Polnikov. Und es wird Ihr Schaden nicht sein!«
    Polnikov sonnte sich in dem Kompliment. Und mit einem Blick auf die Bildschirme sagte er: »Was soll jetzt damit werden, Eminenza?«
    Der Kardinal verschränkte die Arme über der Brust und musterte die Überwachungsanlage.
    »Ich weiß nicht, ob eine solche Installation im Vatikan erforderlich ist«, meinte er.
    Polnikov grinste verlegen. »Ich habe nur im Auftrag des Kardinalstaatssekretärs gehandelt. Kardinal Smolenski lebte in ständiger Angst, er könnte über irgendeinen Vorgang nicht Bescheid wissen. Für ihn gab es nur ein einziges Übel: die Unwissenheit. Wissen ist
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