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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten
Autoren: Philipp Vandenberg
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fallen wie eine heiße Kartoffel.«
    »Was war Ihre Aufgabe in der Organisation?« fragte Sydow.
    Palmezzano lachte. »Ich bin Maler aus Leidenschaft, verstehen Sie? Ich brauche nur eine Flasche Rotwein, dann fühle ich wie Raffael, und ich male auch so. Die Hälfte aller alten Meister in den Vatikanischen Sammlungen habe ich nachempfunden. Nicht gefälscht, wohlgemerkt – nachempfunden! Smolenski hat mit meiner Arbeit ein Vermögen gemacht, indem er die Originale verkaufte und statt dessen meine Bilder aufhängte.«
    »Smolenski?«
    »Ja, der Kardinalstaatssekretär. Er ist zwar nicht der Kopf der Organisation, aber der Macher.«
    »Und wer ist der Kopf?« fragte Brodka aufgeregt.
    »Sperling.«
    »Kurienkardinal Sperling?«
    »Genau der.«
    »Und Smolenski? Ich dachte …«
    »Zwischen Sperling und Smolenski besteht eine alte Rivalität. Sie sind sich spinnefeind, und jeder hat schon mehrere Versuche unternommen, den anderen zu beseitigen. Der angebliche Herztod Kardinal Shermans während der Messe in der Sixtinischen Kapelle war ein Betriebsunfall. Der Meßwein war vergiftet.«
    »Von wem?«
    Palmezzano räusperte sich. »Ich habe im Vatikan noch immer meine Leute. Aber es sollte nicht Sherman treffen, sondern Smolenski. Jetzt holt Smolenski zum großen Schlag aus. Er nennt es die Operation ›Urbi et Orbi‹. Dahinter verbirgt sich die Beseitigung des Papstes. Wie man hört, ist alles so perfekt eingefädelt, daß nichts schiefgehen kann.«
    »Wissen Sie Näheres?«
    Palmezzano schüttelte den Kopf. »Es gibt nur einen kleinen Kreis von Mitwissern. Sie allein kennen den genauen Termin und die näheren Umstände.«
    Brodka schaute Sydow von der Seite an. Soweit er es im Mondlicht erkennen konnte, war Sydow nicht weniger fassungslos als er selbst.
    »Urbi et orbi«, murmelte Brodka.
    Sydow nickte. »Sie wissen, was das bedeutet. Der Papst hat noch fünfzehn Stunden zu leben.«
    »Fünfzehn Stunden?« fragte Palmezzano verunsichert. »Dann wissen Sie mehr als ich.«
    »Das mag sein«, erwiderte Brodka, »zumindest was den Termin betrifft. Wir sind im Besitz einer geheimen Botschaft, auf welcher von einer Operation ›Urbi et Orbi‹ die Rede ist. Bis jetzt war uns die Bedeutung dieses Begriffs unbekannt. Jetzt wissen wir, daß damit der Termin für das Attentat gemeint ist.«
    Zum wiederholten Male spähte Palmezzano nach allen Seiten; dann sagte er mit leiser Stimme: »Ehrlich gesagt, kann ich mir nicht vorstellen, daß Sperling oder Smolenski zu diesem Mittel greifen und den Papst von einem Heckenschützen umlegen lassen. Der Aufruhr wäre zu groß, und früher oder später würde der Attentäter gefaßt. Ein Papstattentat vor laufenden Kameras?«
    Brodka meinte nachdenklich: »Wer sagt denn, daß der Papst erschossen werden soll? Wie man weiß, hat die menschliche Niedertracht schon die unglaublichsten Todesarten erfunden.«
    »Beim Segen Urbi et Orbi?« Sydow verzog das Gesicht.
    »Nach dem, was ich über Smolenski erfahren habe«, meinte Brodka, »traue ich ihm alles zu.«
    »Da liegen Sie gar nicht falsch. Smolenski ist die Verkörperung des Bösen. Und das Böse ist nur mit Bösem zu bekämpfen. Ich habe ihm schon eine Bombe unter das Auto gelegt. Aber das Schicksal schützt diesen Teufel auf unerklärliche Weise.« Palmezzanos Worte klangen verbittert.
    Von Süden näherten sich auf der alten Straße, die für den Verkehr gesperrt ist, zwei Gestalten. Ihre Schritte hallten auf dem glatten Basaltpflaster. Palmezzano wurde unruhig und drängte Brodka und Sydow hinter die Sträucher, die um das Monument des Commodius wucherten.
    Brodka fühlte sich nicht wohl in seiner Haut; weniger der beiden dunklen Gestalten als Palmezzanos wegen, der einen undurchsichtigen Eindruck auf ihn machte.
    Nachdem die beiden Gestalten in der Dunkelheit verschwunden waren, sagte Palmezzano: »Sie nehmen es mir gewiß nicht übel, Signori, wenn ich mich jetzt zurückziehe. Für den Austausch so wichtiger Geheimnisse ist mir dieser Treffpunkt ein wenig zu gefährlich. Außerdem ist alles Wichtige gesagt. Ich hoffe, Sie können mit den Informationen etwas anfangen.«
    Kaum hatte er geendet, verschwand Palmezzano in der Dunkelheit. Brodka und Sydow lauschten in die Mondnacht. Sie vernahmen keinen Laut. Palmezzano war wie vom Erdboden verschluckt.
    »Was halten Sie von dem Mann?« erkundigte sich Brodka nach einer Weile.
    Sydow hob die Schultern und schwieg.
    »Wenn seine Aussage stimmt«, fuhr Brodka fort, »entscheidet der morgige
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