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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Marcus Thurner
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1. Früher: Der Heerführer
    Metcairn Nife gab den Befehl zum Aufbruch. Seine Stimme wurde von den Kundhörnern weit übers Land getragen. Adjutanten nahmen die Anweisungen entlang der Heereslinien auf und befahlen die Angehörigen ihrer Truppen ins Glied. Es dauerte eine Weile, bis jedermann dort war, wo er sein sollte. Die Vorbereitung auf die Weiterreise war ein Teil jenes täglichen Rituals, das Metcairn längst in Fleisch und Blut übergegangen war.
    Er stieg auf das Kampfross. Magicae sorgten dafür, dass das dünne Wolkenband eines kühlen, frühherbstlichen Morgens aufriss und sich die ersten Sonnenstrahlen auf Metcairns zerbeulter und hoch polierter Rüstung verfingen. Der Glanz würde ihn aus der Masse hervorheben.
    Er ließ diesen Effekt nicht jeden Tag herbeizaubern. Wiederholungen langweilten oder bewirkten gar das Gegenteil dessen, was beabsichtigt war. An diesem Tag jedoch, da die Truppenangehörigen unerklärlicherweise mutlos wirkten, erschien es ihm notwendig, sie an seine Macht und seine Kraft zu erinnern.
    Hier und dort ertönten Seufzer, gefolgt von Ausrufen der Begeisterung, als er Vidal das Schwert der Hoffnung hoch emporreckte. Und als er Mimar mit kräftigem Schenkeldruck und einem Zupfen am Zügel dazu brachte, auf die Hinterläufe zu steigen, wurde das Geschrei zu einem Stimmenorkan, der über das Land brauste.
    »Neue Ufer!«, brüllte er. »Wir brechen auf zu neuen Ufern!«
    Hunderte Fußsoldaten klopften mit den Langmessern gegen ihre Rüstungen, Bogenschützen ließen die Saiten ihrer Waffen singen, Reiter hieben die Silbergerten auf die Klingtrosse ihrer Pferde. Die Magicae intonierten monotonen Sprechgesang, die Parveniden-Frauen sangen betörend schön. Einige begleitende Kriechtiere gaben Zisch- und Grunzlaute von sich, als wüssten sie, dass auch sie sich an dieser Kakophonie der Stimmen und Töne und Geräusche beteiligen mussten.
    Metcairn Nife fühlte Stolz. Er ertappte sich dabei, die einzelnen Heeresteile mit den Händen dirigieren zu wollen, wie ein Musikant, der seinen Kollegen den Einsatz gab. Doch das war seiner nicht würdig. Nicht an einem kampffreien Tag.
    »Ein erhebender Anblick, immer wieder«, sagte sein Rechter, Marmer Dunne.
    »Die Sibyllen könnten ruhig ein wenig rascher auf die Beine kommen«, widersprach der Linke, Pae Loriander, der eigentlich eine Sie war, aber, den Traditionen gehorchend, oft als Mann angesprochen wurde.
    »Wir führen dieses Gespräch zu oft«, unterband Metcairn Paes Versuch, eine weitere Diskussion über die Zuverlässigkeit der Wanderfrauen vom Zaum zu brechen. »Nimm hin, was sie sind und wie sie sind, Kriegerin.«
    »Unnütze Fresserinnen«, rief der Linke, den Lärm ringsum übertönend und den mahnenden Tonfall Metcairns ignorierend. »Haben sie uns denn schon jemals geholfen?«
    »Sie werden es tun, sobald die Zeit gekommen ist.«
    »Weil es so überliefert ist? Weil es eingeschrumpelte und senile Magicae behaupten?«
    »Weil es wahr ist, Pae.« Metcairn wandte sich der Frau zu und ließ seinen Blick über ihren muskulösen Körper schweifen. Er erinnerte sich all der schlecht vernarbten Wunden an Rücken und Bauch, die er einstmals zu sehen bekommen hatte, als wohl Einziger, der diese »Ehre« überlebt hatte. »Das Heer wäre nicht vollständig, würden die Sibyllen aussortiert werden.«
    »Aber …«
    »Kein Aber! Es ist müßig, darüber zu diskutieren. Konzentrier dich auf deine Aufgaben! Adjutanten benötigen deine Anweisungen, deine Kraft. Mach dich auf den Weg und sorge dafür, dass sich die linke Flanke endlich in Bewegung setzt.«
    Pae öffnete den Mund, diesen bezaubernden Mund, der nicht nur eine der schärfsten Zungen des Heeres beherbergte, sondern auch wundersame Dinge auf dem Bettlager zu leisten imstande war. Doch sie verkniff sich weitere Widerworte, grüßte mit einem Minimum an Respekt sowohl ihn als auch den Rechten, zerrte heftig am Zügel ihres Pferdes und galoppierte davon. Das schwere Ross riss Narben in den Boden. Faustgroße Klumpen Erdreich flogen beiseite; manch einer traf Fußsoldaten, die bereits abmarschbereit waren.
    »Ich sagte schon immer, dass die Linke Schwierigkeiten bereiten würde«, sagte Marmer Dunne.
    »Und ich antworte wie immer, dass ich all diese Schwierigkeiten gerne auf mich nehme. Pae mag ungehobelt, engstirnig und aufbrausend sein. Doch sie verbirgt einen einzigartigen Verstand unter ihrem blonden Lockenköpfchen. Über ihre Kampfkraft sowie ihre taktische Intelligenz brauchen wir
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