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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten
Autoren: Philipp Vandenberg
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Tag über die Zukunft des Papsttums. Sydow, wir müssen etwas unternehmen!«
    Sie spähten in der Dunkelheit nach allen Seiten, während sie auf der Via Appia zurück zu ihrem Wagen gingen.
    »Was sollen wir jetzt tun?« fragte Sydow. »Sollen wir zur Polizei gehen und sagen, morgen beim Segen Urbi et Orbi wird der Papst erschossen oder von der Loggia gestürzt, oder er bricht einfach tot zusammen? Brodka, dann sind wir beide die ersten Verdächtigen.«
    »Glauben Sie denn nicht, daß es ein Attentat geben wird?«
    Sydow hob die Schultern. »Gewiß, es gibt Indizien, aber Beweise haben wir nicht. Erinnern Sie sich, was passiert ist, als wir wegen Meinardi zur Polizei gegangen sind. Gut, wir haben ihn aus dem Gefängnis freibekommen. Aber hat die Polizei etwas gegen die Heilige Mafia unternommen? Nichts! Oder sehe ich das falsch?«
    »Ich fürchte, Sie sehen das richtig«, erwiderte Brodka. »Ich habe am eigenen Leibe erlebt, welche Machtmittel diese Leute im Vatikan besitzen.«
    Er fühlte sich machtlos gegenüber dem unsichtbaren Gegner. Sein Wissen drohte ihn zu ersticken. Wie würde er damit fertig werden, wenn das Unfaßbare einträte, wenn Smolenski seine Pläne in die Tat umsetzte?
    Wie aus der Ferne vernahm Brodka Sydows Stimme: »Was ist? Geht es Ihnen nicht gut?«
    »Doch, doch«, entgegnete Brodka zerstreut.
    Dann setzten sie ihren Weg fort.
    Die Comtessa hatte den ganzen Tag versucht, Brodka zu erreichen. Von Tante Gracia hatte sie erfahren, daß er das Haus schon am Morgen verlassen hatte. Auch Sydow meldete sich nicht am Telefon. Warum gab Brodka ihr keine Nachricht?
    Gegen 22 Uhr entschloß sie sich, mit dem Wagen nach Ostia zu fahren, um auf Brodka zu warten.
    Vor der Tür stand noch immer sein Leihwagen. Mirandolina schien es ratsam, Brodkas Auto vor ihrem Haus zu entfernen. Außerdem brauchte er einen Wagen. Deshalb stieg sie in den grauen Ford, nicht in ihren Lancia , um sich auf den Weg nach Ostia zu machen.
    Sie ließ den Motor an, der ein sattes Brummen von sich gab. Umständlich legte sie den Gang ein; dann fuhr sie los. Die Scheinwerfer des Wagens leuchteten spärlich den steilen Weg aus, den sie schon tausendmal gefahren war.
    Viel zu lange hatte sie geglaubt, Männer könnten ihr gestohlen bleiben. Aber seit zwei Tagen wußte sie, was sie versäumt hatte. Brodka hatte sie aus ihrem Liebesschlaf geweckt. Sie liebte diesen Mann. Vielleicht war es sogar der erste Mann, den sie wirklich liebte. Ihr Stolz hätte es früher nie zugelassen, einem Mann hinterherzutelefonieren oder ihm gar nachzufahren.
    Bei Brodka war es anders. Zum erstenmal in ihrem Leben fühlte sie jene Schmetterlinge im Bauch, die in Romanen beschrieben werden. Sie hatte Angst, Brodka könnte ihre Gefühle nicht im selben Maße erwidern. Warum meldete er sich nicht? War sie ihm gleichgültig? War ihre Liebe für ihn nur ein Abenteuer? Betrachtete er sie nur als Lückenbüßer?
    An einer Stelle, wo der steile Weg eine leichte Biegung machte, schaltete sie in den zweiten Gang. Plötzlich gab das Getriebe ein krachendes Geräusch von sich. Obwohl Mirandolina den Fuß vom Gaspedal nahm, heulte der Motor auf. Der Wagen schoß unkontrolliert nach vorn. Verzweifelt stieg Mirandolina aufs Bremspedal, spürte aber keinen Widerstand. Das Pedal sackte bis zum Anschlag durch.
    Der schwere Ford beschleunigte. Im Lichtkegel der Scheinwerfer tauchte die Hauswand am Ende des Weges auf. Hektisch versuchte Mirandolina, die Gänge herunterzuschalten. Doch der Schalthebel ließ sich nicht bewegen.
    » Neiiiin !« schrie sie aus Leibeskräften und versuchte im letzten Moment, das Steuer herumzureißen. Vergeblich. Für den Bruchteil einer Sekunde sah sie die helle Hauswand auf sich zu rasen; dann vernahm sie ein ohrenbetäubendes Krachen und Klirren. Die Welt um sie herum versank in Finsternis und Stille.
    Es war weit nach Mitternacht, als Sydow Brodka bei Signora Gracia in Ostia absetzte.
    Brodka hatte Bedenken wegen seiner späten Rückkehr; außerdem waren er und Sydow nicht mehr ganz nüchtern, als sie vor dem Haus hielten.
    »Was ist denn hier los?« sagte Brodka erschrocken. An der Straße parkte ein Wagen der Carabinieri . Die Fenster des Hauses waren hell erleuchtet.
    Mit Tränen in den Augen kam ihnen die Signora entgegen.
    »Was ist geschehen?« fragte Brodka.
    Die alte Frau wandte sich ab. Sie konnte nicht sprechen, so aufgewühlt war sie.
    Aus dem Hintergrund traten zwei Carabinieri . Der eine blätterte in seinen Unterlagen; dann
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