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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten
Autoren: Philipp Vandenberg
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Macht, pflegte er zu sagen.«
    »Damit hatte er gar nicht so unrecht. In seinem Wahn glaubte er sich wohl allwissend. Aber gerade das wurde ihm zum Verhängnis. Smolenski hatte keine Ahnung, daß er zum Schluß ganz allein dastand. Dabei glaubte er ernsthaft, er könnte Nachfolger des Papstes werden. Kompliment, Polnikov, Sie haben ihn in diesem Glauben bestärkt.«
    »Wenn ich ehrlich sein darf«, antwortete der Sekretär, »manchmal war es nicht einfach, gegen meine eigene Überzeugung zu handeln. Und ich lebte in ständiger Angst, entdeckt zu werden. Denn Smolenski war nicht nur intelligent, er besaß bei aller Härte auch ein äußerst feines Gespür.«
    Während Polnikov und der Kardinal auf den Bildschirmen die Gemächer des Papstes betrachteten, fragte der Sekretär: »Eminenza, woher stammte eigentlich der abgrundtiefe Haß Smolenskis gegen den Papst?«
    Kardinal Sperling trat näher an Polnikov heran und sagte mit gedämpfter Stimme: »Dazu müssen Sie wissen, der Papst war einmal Smolenskis Sekretär, damals, als er noch schlicht Monsignore Manik hieß. Natürlich wollte Smolenski selbst Papst werden, aber er fand beim Konklave keine Mehrheit. Also schob er seinen ehemaligen Adlatus, inzwischen selbst Kardinal, vor, weil er wußte, daß er ihn erpressen konnte.«
    »Erpressen?«
    »Es gab da einmal eine Affäre zwischen dem späteren Papst und einer Frau, die nicht ohne Folgen blieb.«
    »Mein Gott! Jetzt wird mir manches klar.«
    »Das ist noch nicht alles. Smolenski versuchte damals, die Frau zu einer Abtreibung zu zwingen. Er konnte sich keinen Skandal leisten. Aber die Frau blieb hart. Der Papst hat Smolenski das nie verziehen. Er konnte jedoch nichts gegen ihn ausrichten. Dazu war Smolenski einfach zu mächtig. Als der Papst dann – mit meiner Hilfe – die Frau auf dem Campo Santo beisetzen ließ, hatte Smolenski das Gefühl, daß die Sache aus dem Ruder lief. Deshalb inszenierte er die Operation ›Urbi et Orbi‹, um seine letzte Chance zu wahren, vielleicht doch noch Papst zu werden.«
    Polnikov überlegte. »Wußte der Papst eigentlich, daß er die Zielscheibe des Anschlags war?«
    »Gewiß«, erwiderte Sperling. »Es hat ihn sehr verängstigt, obwohl ich ihm versichert habe, daß ihm nichts geschehen würde.«
    »Und daß Smolenski sich selbst töten würde?«
    »Davon hatte er keine Ahnung. Ich bin sicher, er hätte es nie zugelassen. Der Stellvertreter ist ein guter Mensch. Er glaubt auch jetzt nur die offizielle Version, Smolenski sei an einem Herzinfarkt gestorben. Würde ich ihm die Wahrheit sagen, ich bin sicher, er würde sie nicht glauben.«
    Polnikov nickte heftig. »Ich habe selbst noch Schwierigkeiten, mich in der Realität zurechtzufinden. Der ständige Druck, die Angst, enttarnt zu werden – das alles lastete wie ein Felsblock auf mir. Aber gestatten Sie mir eine Frage, Eminenza. Nun, wo Kardinalstaatssekretär Smolenski nicht mehr unter uns weilt, was wird sich jetzt ändern?«
    Der Kurienkardinal richtete den Blick zur Decke. Die Frage schien ihm sichtlich unangenehm. »Ach wissen Sie, Polnikov«, entgegnete er schließlich, »die Kirche ist zweitausend Jahre alt. Was hat sich in dieser Zeit schon geändert? Immer wieder gibt es einen Papst, der Reformen und Menschlichkeit verkündet, aber schon sein Nachfolger macht alle guten Absichten zunichte. Es ist, als läge ein Fluch über dem Papsttum.«
    Kaum hatte Sperling geendet, da erschrak er über seine eigenen Worte.
    Smolenskis Tod traf die Purpur-Mafia wie eine Bombe. Wie bei einer heftigen Explosion flogen die einzelnen Teile auseinander, und hätte ein Beobachter im Vatikan noch am selben Tag nach Spuren von dem ursprünglichen Gebilde der Verschwörung gesucht, er hätte nichts mehr gefunden. Irritiert gingen sich die ehemals Verbündeten aus dem Weg. Jeder mißtraute dem anderen. Sie ahnten, daß Smolenski keines natürlichen Todes gestorben war. Aber keiner wagte es, seine Vermutung zu äußern; denn damit hätte er sich selbst verraten.
    Titus, soeben nach Rom zurückgekehrt, hatte den Ostersegen und dessen unvermuteten Ausgang im Fernseher einer Schwulenkneipe verfolgt. Nachdem er eine Zeitlang ziellos durch die Stadt gewandert war, führten ihn seine Schritte zu Anastasia Fasolino in das Haus in der Via Banco di Santo Spirito. Ihn hatte Smolenskis Tod am härtesten getroffen. Der Kardinalstaatssekretär hatte ihn zwar wie einen Hund behandelt, doch Titus war ein treuer Hund gewesen.
    Er dachte, seine Tante würde
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