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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten
Autoren: Philipp Vandenberg
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deutlich erkennen.
    »Wie würden Sie die beiden Buchstaben lesen?« wandte sich Sydow an Brodka.
    »Ein G und ein P.«
    »Das sehe ich auch so. Also hat der unbekannte Anrufer recht. Das Gemälde ist eine Fälschung.«
    »› G.P.‹? Haben Sie eine Ahnung, wer sich hinter den Initialen verbergen könnte?« fragte Brodka.
    Die Hände in den Taschen, war Sydow in den Anblick des Gemäldes vertieft. Er hob die Schultern, überging Brodkas Frage und meinte nach einer Weile: »Sie verstehen doch etwas von Kunst, Brodka. Halten Sie es für möglich, daß ein Künstler von heute die Fähigkeit besitzt, einen Raffael so nachzuahmen, daß er vom Original nicht zu unterscheiden ist?«
    Brodka schmunzelte in sich hinein. In Juliettes Augen wäre er wohl eher ein Banause gewesen, was Kunst betraf; aber er hatte dazugelernt und erfahren, daß eine solche Fälschung durchaus möglich war. »Leute, die mehr von Kunst verstehen als ich«, meinte er schließlich, »behaupten, die Hälfte aller auf dem Kunstmarkt angebotenen Alten Meister seien keine Originale.«
    Ungläubig schüttelte Sydow den Kopf. »Raffael gilt als Genie. Und dieser Unbekannte malt genauso gut wie Raffael, aber niemand kennt seinen Namen!«
    »Das Leben ist nun mal ungerecht«, meinte Brodka trocken. »Haben Sie übrigens mit Signora Bonetti Kontakt aufgenommen, der Tochter des Fotografen?«
    »Ach, das habe ich Ihnen ja noch gar nicht gesagt. Maria Bonetti kommt erst heute von einem Schlagerfestival in Cannes zurück.«
    »Ist auch nicht so wichtig«, bemerkte Brodka, als sie über die große Wendeltreppe dem Ausgang zustrebten.
    »Sagen Sie das nicht«, wandte Sydow ein. »Ich habe so ein Gefühl, als könnte Maria Bonetti uns noch von großem Nutzen sein.«
    Nach Einbruch der Dunkelheit machten Brodka und Sydow sich auf den Weg zur Via Appia. Ein Stück des Weges legten sie im Auto zurück; dann gingen sie auf der alten Pflasterstraße zu Fuß weiter.
    Vor mehr als zweitausend Jahren errichteten die reichen Römer zu beiden Seiten der Straße ihre Prachtgräber. Nun lagen die Ruinen im fahlen Mondlicht. Wer glaubte, die Appia sei um diese Zeit einsam und verlassen, sah sich getäuscht. Liebespaare nützen die laue Nacht und die romantische Umgebung für ihre Schäferstündchen.
    Das Monument des Commodius lag eingerahmt von Zypressen und wucherndem Buschwerk und bestand aus einem verfallenen Mauergeviert von drei mal vier Metern und den Resten einer Inschrift, die den Namen Commodius trug. Es lag etwas abseits der Straße. Als Brodka und Sydow näher kamen, schlug ihnen pestilenter Gestank entgegen.
    Nachdem sie die von Gestrüpp überwucherte Ruine einmal umrundet hatten, trat eine Gestalt aus dem Schatten des Mondes hervor.
    Die beiden Männer blieben in gebührendem Abstand stehen.
    »Wer sind Sie?« rief Sydow.
    »Und Sie?« kam die Gegenfrage.
    »Mein Name ist Sydow, und das ist mein Kollege Brodka.«
    Der andere trat ein paar Schritte vor, so daß sie sein Gesicht erkennen konnten. Er war vielleicht fünfzig oder sechzig Jahre alt, und seine Stirnglatze wurde von einem hellen Haarkranz eingerahmt. Im übrigen machte er nicht gerade den Eindruck eines Gangsters.
    »Ich heiße Giuseppe Palmezzano«, sagte er, während er sich den beiden Männern nährte. Dabei hielt er die Hände auf dem Rücken verschränkt.
    Brodka blickte mißtrauisch. Ihm war nicht wohl bei der Sache, und er wich einen Schritt zurück.
    »Sind Sie sicher, daß niemand Ihnen gefolgt ist?« erkundigte sich Palmezzano.
    Sydow hob die Schultern. »Sicher bin ich nicht. Aber wir haben uns jedenfalls nicht auffällig verhalten.«
    »Ich möchte nämlich nicht unbedingt mit Ihnen gesehen werden, verstehen Sie.«
    »Durchaus«, erwiderte Sydow. »Was haben Sie uns zu sagen?«
    Palmezzano gab den beiden einen Wink, sie sollten ihm hinter das Buschwerk folgen. Dort zog er einen Gegenstand aus seiner Jackentasche und hielt ihn Brodka und Sydow entgegen.
    Brodka erkannte im Mondlicht, daß es eine Purpurschlinge war. Er spürte, wie das Blut in seinen Schläfen hämmerte.
    »Das«, begann Palmezzano, »ist das Erkennungszeichen der Kardinalsmafia.«
    »Und wie kommen Sie an das Ding?« fragte Brodka.
    »Ich habe dieser Organisation einmal angehört. Wenn Sie so wollen, war diese Schlinge mein Mitgliedsausweis. Ich habe viele Jahre für die hohen Herrn gearbeitet. Aber dann passierte … nennen wir es einen Betriebsunfall, und ich konnte ihnen nicht mehr von Nutzen sein. Da ließen sie mich
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