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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten
Autoren: Philipp Vandenberg
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geht. Die ganze Geschichte ist so … widersinnig. Aber glaub mir, es wird sich alles als Irrtum erweisen. Jedenfalls kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß meine Mutter mit der Mafia oder sonst irgendwelchen Verbrechern in Verbindung stand.«
    Er lachte, doch Juliettes Miene blieb ernst und besorgt.
    »Du solltest dich um deine Kunstliebhaber kümmern«, sagte Brodka.
    Sie zögerte, ging dann aber zurück zu ihren Gästen.
    Die Zeichnungen, vor denen sich die Besucher drängten, riefen bei manchen Laute des Entzückens hervor. Brodka, eher der Harmonie und dem Schönen zugetan, vermochte die Begeisterung nicht zu teilen. Ihm gefielen eher Macke mit seinen fröhlichen Figurinen oder Nolde mit seinem leuchtenden Blau und Rot. Kubin erschien ihm zu trist, gequält und mystisch.
    So wandte er sich der Beobachtung der kunstbeflissenen Gäste zu, die allesamt piekfein gekleidet waren und sich einer höchst intellektuellen Sprechweise bedienten.
    In der Luft hing der gewohnte Geruch einer Vernissage, jene Mischung aus Zigarettenrauch, Parfüm und Rotwein, die geeignet ist, einem normalen Menschen den Kopf zu verwirren – von den mehr oder weniger fachkundigen Gesprächen ganz zu schweigen. Es war eine Atmosphäre, in der Brodka sich unwohl fühlte.
    Er hoffte auf einen raschen Abgang der Kunstliebhaber, damit er den Abend mit Juliette verbringen konnte.
    Ein Glas Orangensaft in der Hand, drängte Brodka sich durch die Reihen der Besucher zu Juliette, die sich auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes befand, in ein Gespräch mit einem älteren Herrn vertieft. Doch plötzlich hielt Brodka inne. Aus den Wortfetzen, die an sein Ohr drangen, glaubte er eine männliche Stimme herauszuhören, die ihn erschauern ließ. Er wagte nicht, sich umzudrehen und den Mann zu betrachten, der mit schwerem ausländischem Akzent sprach und der das R rollte, als würde seine Zungenspitze flattern.
    Es war die drohende Stimme, die Brodka auf dem Anrufbeantworter gehört hatte.
    Mit aller Kraft versuchte er sich zu konzentrieren und diese Stimme aus dem allgemeinen Lachen, Plaudern und Diskutieren herauszufiltern.
    Kein Zweifel. Er war sich ganz sicher. Es war dieselbe Stimme.
    Während Brodka noch überlegte, wie er der Situation begegnen sollte, kam Juliette, die ihn in der Menge ausgemacht hatte, auf ihn zu, nahm ihn bei der Hand und führte ihn energisch beiseite.
    Brodka widersetzte sich, zog die Hand zurück, wollte Juliette erklären, was er soeben bemerkt hatte, doch sie schien so aufgeregt zu sein wie er. Eilig zog sie ihn in die andere Richtung. »Komm mit!« zischte sie ihm zu. »Bitte!« In einer Ecke blieb sie stehen; es schien, als wollte sie sich hinter ihm verstecken. Brodka sah, wie ihre Augen funkelten.
    Sie wirkte wütend und verängstigt zugleich. Noch nie hatte er diesen Gesichtsausdruck bei ihr gesehen. Juliette, einen Kopf kleiner als er, blickte zu ihm auf und sagte in verzweifeltem Tonfall: »Mein Mann ist hier. Er ist völlig betrunken, kann kaum noch stehen. Was soll ich bloß tun?« Sie preßte die Hände vor den Mund.
    Brodka, der sich immer noch über die Männerstimme den Kopf zerbrach, fragte geistesabwesend: »Wo ist er?«
    Juliette schluckte und holte tief Luft. »Da drüben. Wie ich den Kerl hasse. Ich könnte ihn umbringen!«
    Brodka warf einen verstohlenen Blick zur gegenüberliegenden Seite des Raumes. Er hatte den Professor noch nie gesehen, nicht einmal ein Foto von ihm; dabei wußte er fast alles über diesen Mann. Und jetzt, wo er ihn zum erstenmal sah, überkamen ihn keine Haßgefühle, wie er es eigentlich erwartet hatte; statt dessen empfand er Mitleid mit dieser Jammergestalt, die wankend und mit stumpfem Blick dastand, so verloren und einsam, als gäbe es die Menschen um ihn herum gar nicht.
    Professor Collin war ein kleiner Mann mit Stirnglatze, nicht viel größer als Juliette, und unscheinbar. Wer ihn nicht kannte, hätte ihn für einen Beamten bei irgendeiner Behörde halten können. Er trug einen grauen Anzug, der bestimmt teuer gewesen war; dennoch wirkte er schlampig, ja heruntergekommen. Seine Krawatte hing eine Handbreit unter dem Hals. Nur seine Brille mit Goldrand verlieh ihm etwas Professorenhaftes.
    Während er Collin beiläufig musterte, hatte Brodka noch immer die Stimme im Ohr, diese fremde drohende Stimme, und er überlegte, ob er Juliette davon erzählen sollte. Aber noch während er darüber nachdachte, kamen ihm Zweifel, und er fragte sich, ob er sich das
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